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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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Verschwendungssucht. Er ritt auf fetten Pferden, kleidete sich in das feinste Pelzwerk, betrank sich im Wein und hatte immer Sängerinnen um sich. So ging das Geld allmählich denn zu Ende. Statt in feinen Brokat musste er sich in Baumwolle kleiden und kam vom Pferd auf den Esel. Schließlich hatte er wieder zerrissene Kleider an und lief zu Fuß wie einst und wußte nicht, wie er seinen Hunger stillen solle. Seufzend stand er wieder auf dem Marktplatz.
    Schon war der Alte da, nahm ihn bei der Hand und sagte: »Bist du wieder so weit? Es ist doch seltsam! Ich will dir noch einmal helfen.«
    Du Dsï Tschun schämte sich und wollte es nicht annehmen. Der Alte aber drang in ihn und führte ihn mit sich nach dem persischen Basar. Dort gab er ihm diesmal zehn Millionen Kupferstücke, und voll Beschämung dankte Du Dsï Tschun.
    Als er das Geld hatte, da ließ er sich’s angelegen sein, zu rechnen und zu sparen, um steinreich zu werden. Aber wie es so geht, angeborene Fehler lassen sich schwer verbessern. Allmählich kam er wieder in das Verschwenden hinein und ließ seinen Lüsten den Lauf. Und wieder leerte sich sein Beutel. Nach ein, zwei Jahren war er arm wie je.
    Abermals begegnete er dem Alten. Er schämte sich so vor ihm, dass er sein Gesicht verhüllte und an ihm vorüber wollte.
    Der Alte hielt ihn am Ärmel fest und sprach: »Wohin, wohin? Ich will dir noch einmal dreißig Millionen geben. Wenn du dich aber immer noch nicht besserst, dann ist dir nicht zu helfen.«
    Voll Dankbarkeit verneigte sich Du Dsï Tschun und sprach: »In meinen armen Tagen haben meine reichen Verwandten sich nicht nach mir umgesehen. Nur Ihr habt mir dreimal geholfen. Das Geld, das Ihr mir heute gebet, will ich nicht wieder verschwenden, ich schwöre es; sondern ich will gute Werke damit tun, um Eure große Güte zu vergelten. Wenn ich damit fertig bin, so will ich Euch nachfolgen und sei es auch durch Feuer und durch Wasser.«
    Der Alte sprach: »So ist es recht! Wenn du diese Dinge in Ordnung gebracht hast, so frage nach mir im Tempel des Laotse unter den beiden Wacholderbäumen.«
    Du Dsï Tschun nahm das Geld und ging nach Yangdschou. Dort kaufte er hundert Morgen vom besten Land und baute ein hohes Haus an der Landstraße mit vielen hundert Zimmern. Darin ließ er Witwen und Waisen wohnen. Dann kaufte er einen Begräbnisplatz für seine Ahnen und unterstützte seine bedürftigen Verwandten. Unzählige Leute verdankten ihm den Lebensunterhalt.
    Als er alles vollendet, da ging er, nach dem Alten zu fragen im Tempel des Laotse. Der Alte saß im Schatten der Wacholderbäume und flötete. Er nahm ihn nun mit sich auf die wolkigen Gipfel des heiligen Berges im Westen. Vierzig Meilen waren sie im Gebirge gegangen, da sah er ein Haus, das war reinlich und schön. Bunte Wolken umgaben es, Pfauen und Kraniche flogen umher. In dem Hause stand ein Kräuterofen, der war neun Fuß hoch. Das Feuer brannte in purpurner Flamme, und sein Schein hüpfte an den Wänden umher. Neun Feen standen bei dem Ofen, ein grüner Drache und ein weißer Tiger kauerten daneben. Der Abend brach herein. Der Alte war nicht mehr gekleidet wie ein gewöhnlicher Mensch, sondern trug eine gelbe Mütze und hatte weite, wallende Gewänder. Er nahm drei Kugeln von weißem Stein, tat sie in einen Becher Wein und gab sie dem Du Dsï Tschun zu trinken. Er breitete ein Tigerfell aus im inneren Zimmer an der westlichen Wand und ließ ihn mit dem Angesicht nach Osten darauf niedersitzen. Dann sprach er zu ihm: »Nun hüte dich, ein Wort zu sprechen! Was dir auch begegnet, starke Götter oder gräßliche Teufel, wilde Tiere oder Oger, alle Qualen der Hölle, und wenn du deine eigenen Verwandten in Schmerz und Leiden siehst: alles sind nur Trugbilder. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Sie können dir nichts schaden. Nur denke an mein Wort und sei ruhig im Geist!« Als er das gesagt, verschwand der Alte.
    Du Dsï Tschun sah nun nur noch einen großen Steinkrug voll klaren Wassers vor sich stehen. Feen, Drachen und Tiger waren alle verschwunden. Plötzlich hörte er einen lauten Krach, dass Himmel und Erde erbebten. Es erschien ein Mann, über zehn Fuß hoch. Der nannte sich den großen Feldherrn. Er und sein Pferd waren in goldene Panzer gehüllt. Er war umgeben von über hundert Soldaten, die spannten die Bogen und schwangen die Schwerter und machten in dem Hofe halt.
    Der Riese fuhr ihn an: »Wer bist du? Geh’ mir aus dem Wege!«
    Du Dsï Tschun rührte sich nicht. Auf seine

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