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Maerchen aus Malula

Titel: Maerchen aus Malula
Autoren: Rafik Schami
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Schafsfüße von der Decke herunter, kochte sie und genoß sie mit ihren Kindern.
    Abends kam ihr Mann heim, betrachtete die Schafsfüße und fragte zornig: »Wo sind die zwei Füße?«
    »Es war ein heiliges Schaf«, antwortete die Frau ruhig.
    »Was heißt das, Weib?« zürnte er.
    »Es hatte nur zwei Füße, machte Pfeffer und ließ Sesamöl«, fuhr die Frau fort.
    »Es müssen aber vier sein«, erwiderte er.
    »Zwei!« sagte die Frau bestimmt.
    »Frau, ich werde gleich sterben, waren es vier oder zwei?« entgegnete er.
    »Zwei«, antwortete sie.
    Der Händler fiel zu Boden. »Ich sterbe, waren es zwei oder vier?« fragte er kaum hörbar.
    »Zwei!« sagte die Frau ruhig.
    »Entweder bringst du das Totenhemd oder die zwei Schafsfüße; ich sterbe.«
    Einige Nachbarn eilten herbei. »Er ist gestorben«, riefen sie, als sie den Händler auf dem Boden sahen. Einer rannte hinaus, um das Totenhemd zu holen, da kniete die Frau neben ihren Mann und sagte: »O Vater meiner Kinder, sie holen das Totenhemd, um es dir anzulegen.«
    »Zwei oder vier?« hauchte er.
    »Pfeffer und Sesamöl sind zwei, wie die Füße deines heiligen Schafes«, sagte sie.
    Die Leute legten ihm das Totenhemd an, und zwei Männer gingen hinaus, um die Bahre zu holen.
    Die Frau trat wieder vor ihn. »O Vater meiner Kinder, steh auf! Sie holen die Bahre«, flüsterte sie.
    »Wie viele Füße hat das Schaf, vier oder zwei?« fauchte er sie leise röchelnd an.
    »Sesamöl und Pfeffer sind zwei«, erwiderte sie.
    »So mögen sie die Bahre holen. Ich bin gestorben«, gab er ihr zur Antwort.
    Die Leute packten ihn auf die Bahre und trugen ihnzum Friedhof, wo ein tiefes Grab ausgehoben worden war. Sie begruben ihn und kehrten zurück. Ob er tatsächlich gestorben war oder lebendig begraben wurde, wußte niemand, aber seine Frau lud alle Nachbarn ein und feierte seinen Tod sieben Tage und sieben Nächte.

 
    BLUMER
    oder
    DAS GEHEIMNIS HINTER
    DEM LÄCHELN
     
    Es ist kaum zu glauben, aber vor langer Zeit lebte ein Mann, der brauchte nur zu lachen, dann blühten die Bäume, auch wenn sie schon Früchte trugen. Nur wenige wußten, wie der Mann richtig hieß, die meisten nannten ihn seines wundersamen Lächelns wegen Blumer. Der Sultan aber hatte einen Garten, der trug keine Früchte und blühte auch nicht. Jahr für Jahr bemühte sich der Gärtner, aber auch wenn er blühende Sträucher für den Garten kaufte, so gingen sie am nächsten Morgen ein. Von Jahr zu Jahr wurde der Sultan beim Anblick seines Gartens grimmiger. Eines Tages erzählte ihm jemand von Blumer, der ineinem Dorf nahe der Hauptstadt lebte. Der Sultan schickte also nach ihm. Doch Blumer war ein stolzer Mann.
    »Was will der Sultan von mir?« fragte er die Gesandten.
    »Wir wissen es nicht, aber du möchtest zu ihm kommen, er hat etwas mit dir zu besprechen«, antworteten sie.
    »Geht hin und sagt ihm, Blumer habe keine Zeit für ihn«, erwiderte dieser.
    Als die Botschafter zum Sultan zurückkehrten und ihm dies mitteilten, schickte er den Richter zu Blumer, und dieser begab sich mit zehn Reitern zu ihm. Blumer empfing sie und bot ihnen weiche Kissen und frisches Obst an. Doch der Richter hub alsbald an: »Der Sultan hat zu dir geschickt, Blumer, du möchtest zu ihm kommen und ihm deine Aufwartung machen, da er etwas mit dir zu bereden habe; du aber wolltest nicht kommen.«
    »Was will er denn? Ich habe doch mit niemandem Streit gehabt, mich auch nicht mit meinem widerlichen Nachbarn gezankt; was habe ich mit dem Sultan zu tun, daß ich ihm meine Aufwartung machen soll?«
    »Blumer, mein Bester, bist du zu müde, um zum Sultan, dem Herrscher aller Gläubigen, zu gehen, wenn er nach dir verlangt?« besänftigte ihn der Richter.
    »Ich habe meine Steuern immer bezahlt, oder soll ich auch noch für mein Lächeln blechen?« ereiferte sich Blumer weiter.
    »Blumer, du sollst nichts zahlen. Es ist nur ein Besuch. Der Sultan braucht dich so sehr, daß er mir den Befehl gab, so lange mit den zehn Reitern bei dir zu bleiben, bis du mitkommst«, erwiderte der schlaue Richter, weil er sich des Rufes seiner gefräßigen Reiter sicher war.
    Blumer schwieg eine Weile, er schaute die grinsenden Reiter an, die im Nu die große Obstschale geleert hatten, und dachte nach. »Gut, laßt uns aufbrechen«, sagte er, stieg auf sein Pferd und ritt, vom Richter und dessen Reitern begleitet, zum Sultan in die Hauptstadt.
    Wie sie nun auf dem Weg durch die Weinberge waren, hörte Blumer jemanden singen. Ein
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