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Maerchen aus Malula

Titel: Maerchen aus Malula
Autoren: Rafik Schami
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Weinberghüter wunderte sich über den fröhlichen Gesang des jungen Bauern und fragte ihn, weshalb er so vergnügt sei.
    »Der Sultan hat nach Blumer geschickt«, erwiderte dieser, »da gehe ich zu dessen Frau, und deshalb bin ich so vergnügt.« Blumer stieg ab, tat so, als würde er seine Schnürsenkel binden, damit sich die Reiter etwas entfernten, und lauschte dem Gespräch.
    »Kennst du den Blumer?« fragte der Liebhaber.
    »Nein«, erwiderte der Weinberghüter, »aber ich habe von seinem Lächeln gehört.«
    »Ja, genau«, sagte der Liebhaber und lachte. »Er lächelt draußen, daß die Blumen blühen, und in seinen eigenen vier Wänden ist er dauernd schlecht gelaunt. Meine Geliebte sagt, er sei wie das Grab der Reichen, außen Marmor und innen Kadaver.«
    Bei diesen Worten erbleichte Blumer. Er folgte mißmutig der Schar der Reiter bis zum Palast. Als sie zum Sultan kamen, rief dieser: »Holt den Hofnarren! Er soll Possen reißen, und holt den Affenführer, der soll Kunststücke zeigen, damit Blumer vergnügt wird und lacht.« Sie holten also den Hofnarren und den Affenführer. Die beiden sangen, spielten und tanzten; aber Blumer wollte nicht lachen.
    Drei Tage lang hatte der Sultan Geduld, und er sparte weder mit Speisen noch mit den erlesensten Getränken, doch Blumer wurde von Tag zu Tag grimmiger und blasser. Am frühen Morgen des vierten Tages brüllte der Sultan: »Blumer, meine Geduld ist zu Ende. Das Gastrecht auf drei Tage Bewirtung habe ich dir gewährt. Erst lehnst du meine Bitte ab, zu mir zu kommen, und dann geizt du mit einem Lächeln. Was für ein Herz hast du? Lache, damit mein Garten endlich blüht, oder ich werfe dich ins Gefängnis!« Doch Blumer schaute nur geistesabwesend in die Gegend und wollte am liebsten nach Hause. So ließ ihn der Sultan ins Gefängnis werfen.
    Am nächsten Morgen grübelte Blumer im Gefängnis über sein Leben nach, als er plötzlich lustvolles Stöhnen aus der benachbarten Zelle vernahm. Er drückte sich an die Wand und hörte die Frau des Sultans mit einem Gefangenen im Liebesspiel lachen und vergnügt schreien. »Kein Wunder«, sagte sie, »daß die Blumen bei ihm sterben. Sein Reich ist grenzenlos, sein Reichtum ungeheuer, und doch istsein Herz hinter seinen Gittern arm, weil sein Palast auf einem Gefängnis gebaut ist, du mein Geliebter. Du bist von ihm gefangen und ihm doch überlegen. Dein helles Lachen schallt in meinem Ohr und erfreut mein Herz mehr als alle Reichtümer der Erde, dir und nur dir gehöre ich.« Blumer glaubte zu träumen, doch als die Frau des Sultans die Zelle verließ, konnte er sie durch die Ritzen seiner Gefängnistür sehen. Es war tatsächlich niemand anderer als die junge Frau des Sultans. Seine große Erleichterung ließ Blumer auf der Stelle in einen tiefen Schlaf sinken; denn in den vergangenen drei Nächten hatte er wegen seiner schweren Gedanken kaum geschlafen.
    Doch plötzlich wachte er auf. Es war schon dunkel. Er hörte jemanden im Gang flüstern. Auf Zehenspitzen näherte er sich der Tür. »O mein Gebieter, was ist dieser Trottel im Vergleich zu dir. Er nennt sich Richter und ist doch der Sklave seines Sultans. Ich könnte ihn erwürgen, wenn er von Gerechtigkeit quasselt. Nie fragt er mich, ob es mir recht sei, was er mir zumutet. Und du? Deine Stärke ist die Zärtlichkeit. Sie macht dich gerecht. Nur bei dir bin ich stark. Nur bei dir kann ich meinen Traum erleben.«
    Als der Mann während des Liebesspiels immer wieder zärtliche Worte flüsterte, erkannte Blumer die Stimme des jüngsten Wächters. Die zwei genossen ihre Sinnlichkeit in der karg eingerichteten Wächterecke bis Mitternacht. Langsam stieg in Blumer einwohltuendes Lachen auf, denn ihm wurde seine und die Dummheit des Sultans und des Richters klar. Er lachte immer wieder vergnügt, bis zur Morgendämmerung.
    Als der Sultan am anderen Morgen aufstand und in seinen Garten ging, fand er ihn ganz in Blüten getaucht. Alsbald schickte er nach dem Richter. Dieser kam und war genau wie sein Herrscher von der Schönheit des Gartens ergriffen. »Dieser verfluchte Blumer«, flüsterte er, »drei Tage hast du ihn bewirtet. Musik, Hofnarren und Affenführer hast du ihm bringen lassen, damit er lächele. Doch er schenkte dir, o Herrscher der Gläubigen, kein einziges müdes Lächeln. Was hat er nun wohl im Gefängnis so erheiternd gefunden?«
    »Das will ich auch wissen«, erwiderte der Sultan und befahl, Blumer aus dem Gefängnis zu holen.
    »Wehe dir, Blumer«,
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