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Maerchen aus Malula

Titel: Maerchen aus Malula
Autoren: Rafik Schami
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standen sie auf und begaben sich ineinen anderen Ort. Sie hielten sich auf dem großen Platz der kleinen Stadt auf, bis es Abend wurde. Da trafen sie eine schöne Frau. Der Richter trat zu ihr und fragte: »Können wir bei dir übernachten? Wir können dich dafür bezahlen.«
    »Freilich habe ich ein Zimmer für euch«, antwortete die Frau, »es ist bequemer und billiger als das Gasthaus, und wir haben das Geld nötiger als der Wirt. Kommt mit!«
    »Und dein Mann«, erkundigte sich der Sultan. »Wo ist dein Mann?«
    »Er ist verreist«, antwortete sie und lächelte. Der Richter grinste über das ganze Gesicht. Er feilschte nicht um den Preis, sondern eilte sogar der Frau voraus. Als sie sich im kleinen Gästezimmer niederließen, brachte die Frau ihnen das Abendessen. Der Richter schaute den reichgedeckten Tisch an und sagte: »Frau, das können wir nicht bezahlen, wir sind arme Derwische.«
    »Das braucht ihr nicht zu bezahlen«, erwiderte die Frau, »ihr habt das Zimmer gemietet, doch nun seid ihr unter meinem Dach, und euch steht das Gastrecht zu. Lieber gehe ich anstelle meines Gastes hungrig zu Bett.«
    »Und dein Mann? Wie ist er?« fragte der Sultan.
    »Ach, lieber Derwisch. Er ist schwierig, und doch liebt er mich auf seine Art«, erwiderte die Frau.
    »Aber du bist schön und begehrenswert«, sprach der Richter.
    »Das weiß ich«, sagte die Frau, lächelte und ging hinaus. Kurz danach hörten die drei einen jungen Mann vor der Tür der Frau singen. Er besang mit flehender Stimme ihre Schönheit und Anmut. Die Frau machte das Fenster ihres Zimmers auf und rief dem Mann zu, er solle nach Hause gehen, aber das ermunterte den Verliebten nur zu noch lauterem Gesang, bis die Frau den Mülleimer über seinem Kopf ausleerte. Lange warteten die drei, und erst spät in der Nacht schliefen sie ein.
    »Nun hast du, o Herrscher der Gläubigen, gesehen, wie bunt das Leben ist. Laßt uns zu unseren Frauen zurückkehren und sie begehren«, sprach Blumer.
    »Das Weib hat uns was vorgemacht. Es kann sich bei dieser Schönheit keine Frömmigkeit einnisten«, widersprach der Richter.
    Am nächsten Tag suchte der Sultan auf dem Basar so lange, bis er eine Frau traf, deren Mann auch verreist war. Sie nahm zögernd die drei verarmten Derwische mit nach Hause, setzte ihnen ein bescheidenes Abendmahl vor und legte sich schlafen. Die ganze Nacht lauerten der Sultan und sein Richter, während Blumer genüßlich schnarchte. Am anderen Morgen wachte er frisch und munter auf, schaute die übernächtigten Gesichter seiner Weggenossen an und lächelte. »Du siehst, o mein Sultan, das Leben ist bunter als es die Herbstblätter sind. Laßt uns zurückkehren, ein Bad nehmen und unsere Frauen für jeden Stern am Himmel einmal küssen«, schwärmte er.
    »Schaut, schaut, der Blumer ist ein Dichter geworden«, giftete ihn der Richter an. »Von wegen bunter als die Herbstblätter. Die Frauen sind alle gleich. Diese hier ist bloß diese Nacht des Betruges müde gewesen.«
    »Und ich sage dir, Blumer«, bestätigte der Sultan, »wir müssen uns noch gründlicher in dieser kleinen Stadt umsehen.« So begaben sich die drei in einen anderen Stadtteil. Sie ruhten sich bis zum Abend in einem Kaffeehaus aus, dann gingen sie zu einem Gehöft. Dort begegnete ihnen eine Frau, die sie fragte: »Was wünscht ihr, Derwische?« Sie antworteten: »Wir wünschen nichts, wenn du aber irgendeine Kammer hast, so wollen wir heute nacht dort schlafen.«
    »Ich habe keine!« erwiderte die Frau trocken.
    »Sagst du die Wahrheit, Frau?« brüllte der Richter, doch der Sultan schlug ihm auf den Rücken und lächelte die Frau milde an. »Du hast vier oder fünf Kammern und willst doch keine für arme ermüdete Fremde haben?« fragte er mit leidender Stimme.
    »In einer Kammer ist Holz, in einer anderen sind die Vorräte, eine dritte ist die Küche und in der vierten schlafe ich mit meinen Kindern. Soll ich vielleicht mit euch das Bett teilen?«
    »Und dein Mann, wo ist dein Mann?« fragte der Sultan.
    »Er ist nach Damaskus gefahren«, antwortete die Frau.
    »So laß uns bitte nur diese Nacht bei dir schlafen. Wir schlafen in der Holzkammer«, eiferte der Richter.
    »Aber mein Rücken schmerzt seit Tagen«, stöhnte Blumer.
    »Wenn du nicht um einen Kopf kürzer werden willst, so ertrage deine Rückenschmerzen«, zischte der Sultan.
    »Meinetwegen, geht in den Holzstall«, gab die Frau nach. Kurz darauf kam jemand, und die Frau führte ihn in die Küche und liebte ihn
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