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Maerchen aus Malula

Titel: Maerchen aus Malula
Autoren: Rafik Schami
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begann der Sultan, als Blumer vor ihn trat, »drei Tage lang warst du hier. Weder mein Hofnarr noch mein Affenführer brachten dich zum Lachen. Auf Straußenfedern habe ich dich gebettet, und du hast dich nicht vergnügt. Ist das Gefängnis erheiternder als mein Audienzsaal? Haben die Flöhe und Wanzen im Gefängnis dein Herz mehr als meine Musikanten erfreut?«
    »Herr«, antwortete Blumer, »dein Garten blüht, und dein Herz ist nun erleichtert. Laß mich gehen. Ich habe in deinem Gefängnis meine Wunde und meine Augen geheilt.«
    »Was hast du in meinem Gefängnis erlebt, daß du geheilt wurdest?« fragte der Sultan erstaunt, doch Blumer hatte Angst, zu erzählen, was er erfahren hatte.
    »Blumer!« zürnte der Sultan. »Willst du mich lächerlich machen? Sprich, oder ich lasse dich köpfen.« Bei diesen Worten zog auf einen Wink des Richters einer der Wächter sein Schwert und schritt drohend auf den knienden Blumer zu.
    »Gib mir dein Wort, o mächtiger Sultan, daß ich nicht bestraft werde, wenn ich dir die Wahrheit sage«, rief dieser verzweifelt.
    »Du hast mein Wort. Du darfst ungestraft alles sagen!« versicherte der Sultan. Blumer zögerte einen Augenblick, dann erzählte er von seiner Wunde, die erst geheilt wurde, als er von der Liebschaft der Frau des Sultans und der der Richtersfrau erfahren hatte. Der Sultan wurde blaß, und dem Richter zitterten die Lippen vor Wut. Blumer schloß seine Rede leise mit den Worten: »Und ich habe gelernt, meine Frau zu achten und zu begehren. Ich bitte dich, o mächtiger Sultan, laß mich nach Hause gehen, um die verlorene Zeit nachzuholen.«
    »O nein«, brüllte der Sultan, »alles habe ich diesem Weib gegeben, und sie betrügt mich mit einem Abtrünnigen. Komm, wir wollen alle drei gemeinsam in die Welt ziehen. Wenn wir die Frauen anderer Männer ebensolche Dinge tun sehen, wie sie uns widerfahren sind, so kehren wir zu unseren Frauen zurück; wennwir aber finden, daß nur unsere Frauen sich gegen uns wenden, so kommen wir nie mehr zurück.«
    »Aber Herr, ich glaube, die Männer sind auch daran …«, wollte Blumer einwenden.
    »Schweig!« unterbrach der Sultan, »ich habe dir Sicherheit gewährt, daß du sprichst, was du willst, aber nicht dafür, daß du meinen Befehl verweigerst. Entweder gehst du mit, oder du stirbst!«
    Auch der Richter wollte sein Unbehagen über das Vorhaben seines Herrschers kundtun, doch die Angst lähmte seine Zunge.
    Nachdem der Sultan seinen treuesten Wesir mit der Herrschaft während seiner Abwesenheit beauftragt hatte, legten die drei die einfachen Kleider der Derwische an und begannen, in der Welt umherzuziehen. Sie begaben sich in ein Dorf, und als es Abend wurde, klopften sie an eine Tür und fragten, ob sie im Hof schlafen dürften. Der Hausherr erlaubte es ihnen, befahl seiner Frau, den Derwischen zu essen zu geben, und wollte aus dem Haus gehen. Da fragte ihn der Sultan: »Bruder, wohin des Weges?«
    »Lieber Derwisch, meine Pflichten habe ich getan. Ich arbeite hart und verwöhne meine Familie. Nun will auch die Seele ihre Nahrung. Ich gehe in ein Vergnügungslokal.«
    »Und deine Frau?« fragte Blumer.
    »Das Weib vergnügt sich mit Herd, Haus und Kinderhüten.«
    »Blödmann«, flüsterte Blumer.
    »Weltmann«, schwärmte der Sultan. Nur der Richter schwieg. Die drei aßen schnell und legten sich zur Ruhe. Sie taten jedoch nur so, als würden sie schlafen.
    Nach einer Stunde sahen sie einen Mann in den Hof schleichen.
    »Wer sind denn die?« fragte dieser die Frau leise.
    »Drei Derwische. Sie klopften bei uns an, und er spielte wieder einmal den großzügigen Herrn. Ich mußte sie beherbergen und bewirten, als genügten die sieben Kinder nicht. Nun laß uns aber die Stunden bis Mitternacht genießen.« Beide gingen hinein und vergnügten sich bis kurz vor Mitternacht. Leise stahl sich der Liebhaber davon, und nach einer kurzen Weile kam auch schon der Gatte nach Hause.
    »Frau, wach auf, dein Herr ist da!« grölte er mitten im Hof, aber die Frau tat so, als würde sie schlafen, erst beim dritten Ruf kam sie heraus. »Frau, uns geht es traumhaft gut, nicht wahr?« rief er wieder und ging ins Badezimmer.
    Seine Frau eilte ihm nach. »Ja, Vater meiner Kinder, dir geht es gut, aber sei bitte leise, sonst wachen die Kleinen auf.«
    »Was für ein undankbares Weib!« sagte der Sultan und legte sich schlafen.
    »Was für ein Trottel!« flüsterte Blumer und wunderte sich darüber, daß der Richter schon schnarchte.
    Am Morgen
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