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Maerchen aus Malula

Titel: Maerchen aus Malula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Dummheit der Händler auf. Am siebten Tag kam der Ölhändler auf seinem Maultier ins Dorf geritten. Als er den Dorfplatz erreichte, traf er den Lehrer.
    »Hast du uns das Wundertier mitgebracht?« fragte dieser und lachte laut.
    »Ja«, erwiderte der Ölhändler, »ich habe es hier in diesem Sack. Bereite mir ein Mittagessen und lade den Dorfältesten und so viele Gäste ein, wie dein Haus aufnehmen kann, damit ich euch zeige, wie mein Wundertier eure Ungeheuer in die Flucht schlägt.«
    Der Lehrer eilte mit seinem Gast nach Hause. Er schickte nach dem Dorfältesten und einigenOberhäuptern der reichsten Familien im Dorf. Kurz darauf waren alle versammelt.
    Als seine Frau dem Ölhändler das Essen auftischte, sprangen die Mäuse aus allen Ecken des Hauses hervor; doch als der Ölhändler sein Tier aus dem Sack ließ, stürzte es sich auf die Mäuse, fraß eine Menge und biß noch mehr von ihnen zu Tode. Die Leute staunten, wie schnell die kleinen Ungeheuer das Weite suchten. Keine einzige Maus blieb auf dem Tisch sitzen.
    Der Händler genoß als einziger das Essen und lachte sich krumm über die Bauern, die ängstlich die Jagd verfolgten.
    »Nun, habe ich übertrieben?« fragte er gelassen.
    Die Bauern bedankten sich bei ihm und sammelten noch in derselben Nacht die versprochene Geldsumme, da der Ölhändler es eilig hatte, seine Reise fortzusetzen.
    »Und wie heißt das Tier, das die Ungeheuer frißt?« fragte der Lehrer.
    »Mäusevertilger«, antwortete der Ölhändler.
    Am nächsten Morgen bereiteten die Dorfbewohner ihm einen würdigen Abschied, und der Dorfälteste rief ihm nach: »Gehe in Frieden, Retter unserer Vorräte!«
    Der Mäusevertilger streifte Tag für Tag im Dorf herum, um die Mäuse zu fressen. Als er alle Nagetiere vertilgt hatte, war er bereits so groß und stark wie ein Hund.
    Wenn er nun ein Huhn sah, so fraß er das, und wenn er ein Kaninchen erblickte, so hetzte er es zu Tode. Tauben und Gänsen ging es nicht besser.
    Der Mäusevertilger war unersättlich und wurde immer größer und stärker.
    Da gingen die Bauern zum Lehrer und sagten: »O Lehrer, gegen den Mäusevertilger muß Rat geschaffen werden.«
    »Warum?« fragte er.
    »Er hat erst die Mäuse gefressen, dann die Hühner, und danach jagte er nach Kaninchen und Gänsen. Seit Wochen legen die übriggebliebenen Hühner keine Eier mehr. Sie zittern den ganzen Tag um ihr Leben. Vor drei Tagen griff er kurz nach Mitternacht eine Bauernfamilie an. Sie konnte sich zwar selber retten, aber ihren Hammel nicht mehr. Heute mittag sprang er eine Bäuerin an, warf sie zu Boden und biß sie in den Hals. Die Frau wäre verblutet, wenn die Nachbarn nicht herbeigeeilt wären. Niemand ist seines Lebens mehr sicher. Bald wird er uns alle fressen.«
    »Gut, laßt uns auf das freie Feld ziehen und ihn hier allein lassen; wenn er im Dorf niemanden mehr findet, so geht er vielleicht an einen anderen Ort.«
    Der Dorfälteste fand den Vorschlag weise, und er gab seinen Befehl zum Umzug.
    Einer der Männer stieg auf das Dach und rief: »O ihr Dorfleute, ladet eure Vorräte auf, nehmt eure Kinder an die Hand und laßt euch auf dem freien Felde nieder, damit euch der Mäusevertilger nicht frißt.«
    Da holten die Leute ihr Vieh heraus, luden ihre Vorräte und ihre Kinder auf die Karren und zogen aufs Feld.
    Einen Monat lang wohnten sie dort. Da sagte der Dorfälteste eines Morgens: »Es sollen zwei tapfere Männer ins Dorf gehen, um auszukundschaften, ob das Tier noch da ist.«
    Zwei mutige Männer begaben sich in das Dorf.
    Nach kurzer Zeit kamen sie mit aschfahlem Gesicht angerannt und riefen atemlos: »O unser Dorfältester, der Mäusevertilger ist noch größer geworden.«
    »Habt ihr ihn gesehen?« fragte der Lehrer.
    »Wir haben nur seinen Schatten an der Wand gesehen. Er war so groß wie ein Maultier.«
    »Dann bleibt uns nur eines«, sagte der Lehrer nach einer Weile, »wir müssen das Dorf verbrennen, dann wird er uns mit Sicherheit verlassen oder im Feuer verbrennen. Einer von euch soll dortbleiben und uns berichten.«
    Drei Männer gingen ins Dorf und steckten es an mehreren Stellen gleichzeitig an.
    Nach einer Weile loderte eine gewaltige Flamme empor. Bis zur Morgendämmerung fraß sich das Feuer durch die Häuser und hinterließ nur Asche und rauchende Balken.
    Doch der Mäusevertilger verließ das Dorf nicht, sondern kletterte auf einen der vier Bäume, die auf dem Dorfplatz standen und vom Feuer verschont blieben.
    Der Späher eilte zu den

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