Maerchen aus Malula
Katze nehmen?« fragte die Frau.
»Überlasse das mir. Ich helfe dir. Ich werde, wenn die Gans mich nicht vergiftet, auch die ganze Nacht für deinen Sohn beten.«
So gab die Frau dem Halunken die Gans, und er eilte davon. Nach einer Stunde brachte er ihr eine vergiftete Katze und verschwand wieder.
Als der Schneider abends nach Hause kam, erschrak er beim Anblick seiner heulenden Frau.
»Was ist passiert?« fragte er besorgt.
»Ach, mein lieber Gatte. Um ein Haar hätten wir unseren Sohn vergiftet«, schluchzte sie.
»Vergiftet? Wir? Was ist in dich gefahren, Frau?« rief der Mann verwirrt.
»Die Gans war verhext. Ich rupfte und füllte sie, doch als ich sie kochen wollte, löste sie sich spurlos im Wasser auf.«
»Das gibt es nicht, Frau! Und die Leber, hat sie sich auch in Luft aufgelöst? Hm?«
»Nein, noch schlimmer. Als ich erschrocken aus derKüche rannte, schlich sich eine Katze hinein, fraß die Leber und war auf der Stelle tot. Sie liegt immer noch dort.« Der Schneider wußte nicht, ob er schreien oder seine Haare raufen sollte. Er rannte in die Küche und erschrak beim Anblick der toten Katze. Auf dem Herd stand immer noch der Topf mit Wasser, der Schneider roch daran, doch er wagte es nicht zu kosten. Blaß und mutlos kehrte er ins Zimmer zurück und fiel wie ein Sack Kartoffeln auf das Sofa.
»Wir haben Glück. Was zum Teufel hat mir dieser Gauner von einem Bauern verkauft? Dabei sah er so ärmlich aus, daß ich ihm zehn Piaster mehr für die Gans gegeben habe, als er verlangte.« Er schaute seine jammernde Frau mitleidig an. »Aber morgen, mein Täubchen, morgen werde ich dir für all das, was du durchgemacht hast, zwei Gänse bringen. Komm her, mein Täubchen. Wir werden heute Brot und Käse essen.«
Am nächsten Tag brachte der Schneider zwei Gänse. Seine Frau saß am Fenster und sah, daß der Gauner bereits draußen lauerte. Da lächelte sie boshaft. »Warte, du Schweinehund!« flüsterte sie und eilte zur Tür, um ihren Mann zu empfangen.
»Hier, mein Täubchen, es sind ganz normale Gänse vom Geflügelhändler. Und wenn die eine sich im Wasser auflöst, dann bleibt uns die andere«, scherzte er.
»Aber nein, mein Herz«, erwiderte die Frau. »Heute morgen kam ein Mönch vorbei und sagte mir, derSpuk sei zu Ende. Unserem Sohn wird ab heute nichts mehr passieren. Das hat der gute Mann im Traum gesehen. Der Traum der Mönche ist Vorsehung. Und weil er mir diese frohe Botschaft brachte, habe ich versprochen, ihm eine Gans zu geben. Uns genügt ja die eine. Übrigens brauche ich noch Pinienkerne, Knoblauch, Zimt und Muskat. Kannst du mir die Zutaten besorgen, bevor du ins Geschäft gehst?« fragte sie.
»Sicher kann ich das. Heute habe ich nicht viel zu tun«, erwiderte der Ehemann und eilte hinaus. Die Frau kochte sich einen Mokka und wartete mit einem teuflischen Lächeln auf den Lippen. Es verging keine Viertelstunde, bis es an die Tür klopfte. »Willkommen, ehrenwerter Gast!« rief sie, und als der Gauner anfing, von seinen Qualen der letzten Nacht zu reden, unterbrach ihn die Frau: »Hier, trink den Kaffee. Er heilt, wie die Beduinen sagen, den Magen.«
»Habe ich richtig hellgesehen, du bekamst heute zwei Gänse?« fragte der Mann und nahm einen Schluck vom kalten Kaffee.
»Ja, ja«, lachte die Frau, »den Augen der Frommen entgeht nichts. Heute will ich sie dir schenken. Mein Sohn fühlt sich so gut wie noch nie. Er verdankt dir Glück und Gesundheit. Doch nun will ich dich um einen Gefallen bitten.«
»Und der wäre?« fragte der Gauner mißtrauisch.
»Mein Mann ist krank. Gott bewahre dich vor seiner Pein«, jammerte die Frau und schaute zum Fensterhinaus. »Doch warte, bevor ich dich um diesen Gefallen bitte, bringe ich dir die Gänse.«
»Ist gut«, sprach der Gauner leise und freute sich hämisch über diese Goldgrube, die er auch weiterhin zu schröpfen gedachte. Nach einer kurzen Weile kam die Frau mit einem Sack zurück. »Hier sind die beiden Gänse. Sie gehören dir, wenn du meinem Mann helfen kannst.«
»Ich kann jedem Gläubigen helfen, wenn er ein gutes Herz hat«, erwiderte der Mann mit gottesfürchtiger Stimme.
Ein Lächeln huschte kurz über das Gesicht der Frau, als sie ihren Mann in der Ferne kommen sah. »Ja, mein Guter. Mein Mann kann geheilt werden, wenn er die linke Hode eines tugendhaften Mannes ißt, der zwei Tage hintereinander mit Gänsefleisch gefüttert wurde. Er ist fast wahnsinnig geworden, weil er seit Jahren jemanden sucht und keinen Frommen
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