Maerchen aus Malula
widerspenstigen Ziegen hatte ihn ermüdet, und so suchte er eine Herberge, die er nach kurzer Suche auch fand.
»Guter Mann, ich bin zum ersten Mal in deiner Stadt. Wieviel kostet die Übernachtung für mich und meine Tiere?« fragte er den freundlichen Wirt.
»Ah, zum ersten Mal!« strahlte der Wirt. »Und du kennst niemanden in Damaskus? Da kannst du von Glück reden, daß du bei mir eingekehrt bist!«
»Außer meinem Esel kenne ich niemanden, aber mit Gottes Hilfe werde ich mich in deiner Stadt nicht verirren«, antwortete Machul.
»Willkommen, Bruder. Für die erste Übernachtung in unserer herrlichen Stadt nehme ich kein Geld«, sagte der Wirt großmütig. Machul war angetan von seinerFreundlichkeit. Er ging in das kleine Zimmer und schlief sofort ein. Um Mitternacht aber weckte ihn plötzlich ein fürchterliches Geheul, Geklapper und Gepolter. Machul fuhr im Bett hoch, doch er wagte nicht, im Dunkeln die Tür seines Zimmers zu öffnen.
Am anderen Morgen traf er den Wirt, der so aussah, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen. »Was war da los in der Nacht?« fragte Machul.
»Ach, Bruder, wie soll ich dir bloß in die Augen schauen. Diese Gegend ist von Geistern bewohnt. Sie kamen gestern nacht und schlugen so lange auf mich ein, bis ich zustimmte, daß sie das als Opfergabe nähmen, was ihnen gefiele. Ich kämpfte wie ein Löwe, doch die verfluchten Geister waren stärker. Endlich gab ich nach, und sie wählten eines deiner Lämmer, verspeisten es und verschwanden so plötzlich, wie sie hereingebrochen waren. Ich schäme mich, Bruder, aber was sollte ich machen?«
»Sei doch froh«, erwiderte Machul. »Du bist heil davongekommen. Was ist ein Lamm wert im Vergleich zu deiner Gesundheit. In Malula haben die Geister sogar einen geizigen Schäfer geblendet und einem starken Bauern, der ihnen Hiebe versetzte, die Hand gelähmt. Hab Dank für deine Bewirtung«, fügte er hinzu und ging in den Stall. Dort standen sein Esel, die zwei Ziegen und das weiße Lamm seines Bruders.
»Gott sei Dank«, murmelte er, denn es war für ihn leichter, dem großzügigen Ziki als dem knauserigen Bruder den Verlust zu erklären.
Bald darauf erreichte er den Basar. Er wunderte sich über die große Anzahl der bis zur Decke mit den herrlichsten Stoffen, Haushaltswaren und Süßigkeiten gefüllten Läden. Er ging zu einem Händler, der Jacken verkaufte, und handelte lange mit ihm, bis er die schönste Jacke für das Lamm seines Bruders bekam.
»Ist dein Geschäft von Geistern bewohnt?« fragte Machul den Händler. Dieser lachte. »Von Geistern? Nein, weshalb fragst du, Mann?«
»Ich will mir Damaskus zwei Tage lang ansehen und die Jacke dann holen, statt sie die ganze Zeit mitzuschleppen, aber wenn dein Laden von bösen Geistern heimgesucht wird, möchte ich dich nicht mit der Jacke belasten.«
»Nein, nein, laß die Jacke nur hier und vergnüge dich in Damaskus«, antwortete der Händler.
Zwei Läden weiter sah Machul ein Geschäft, in dem Hosen verkauft wurden, und nach langen Verhandlungen ergatterte er für seinen Vetter eine Hose im Tausch gegen die Ziege. Er erkundigte sich zum Erstaunen des Basarhändlers nach den Geistern und ließ danach die neue Hose bei ihm.
Am südlichen Ende des Basars fand Machul einen Textilhändler, der wunderschöne Stoffe feilbot. Der wollte aber für die fünfzig Eier nur Stoff für ein Kleid geben. Nach zähem Handeln konnte Machul jedoch Stoff für ein zweites Kleid herausholen. Er war glücklich, daß er das für die Schwester erreicht hatte,fragte auch hier nach den Geistern, bezahlte und ließ den Stoff beim Händler.
Der Gewürzmarkt lag nicht weit vom Basar entfernt. Machul fand bald einen Krämer und handelte für seinen Vetter mütterlicherseits eine gute Menge Salz, Tee, Pfeffer und Kaffee ein. Für die gewünschten Süßigkeiten und feinen Riechstoffe legte er aus eigener Tasche etwas dazu, damit seine schöne Schwägerin und die Kinder seines Vetters sich freuten. Er fragte den Krämer nach den Geistern und bat ihn, die Tüten bei sich zu behalten, bis er seine Augen an der Schönheit der Stadt erfreut haben würde.
Damaskus war zu jener Zeit tatsächlich eine wunderschöne Stadt. Die Araber gaben der Stadt nicht zufällig den Namen »Das Schönheitsmal Arabiens«. Machul wanderte am Tage durch die Straßen und Gassen, saß stundenlang am Fluß, und nach dem Mittagessen flüchtete er wie viele andere in den einladenden Schatten der großen Omaijaden-Moschee, um
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