Maerchen aus Malula
erlesensten Gerichte und Getränke herbei. Dann aber wollte er gehen.
›Wohin willst du?‹ fragte eine Fee.
›Meine Kinder haben nichts zu essen!‹ antwortete er.
›Hab keine Sorge, in diesem Augenblick wird einer unserer Diener die Tür öffnen, Essen und Getränke in den Flur stellen und dazu fünfhundert Piaster als Taschengeld hinterlassen‹, beruhigte ihn die alte Fee.
›Und was ist, wenn ihr mich belügt?‹ zweifelte der Sänger.
›Feen lügen nie. Du kannst es sehen!‹ herrschte ihn die Fee an, und in diesem Augenblick sah der Sänger seine Kinder am Tisch sitzen und gierig einen Gänsebraten verschmausen. Er konnte hören, wie seine Frau dem Diener, der ihr auch noch fünfhundert Piaster überreicht hatte, ein langes und gesundes Leben wünschte. Der Sänger beruhigte sich und sang noch schöner und noch lauter als vorher, und die Feen staunten über seine Stimme und klatschten begeistert Beifall, als der Sänger geendet hatte. Der aber stand auf und wollte gehen.
›Wohin willst du jetzt schon wieder?‹ fragte ihn die älteste Fee.
›Am Nachmittag pflege ich ein Nickerchen zu machen. Ich gehe nach Hause.‹
›Aber du kannst doch auch hier schlafen.‹
›Nein, ich bin diese weichen Kissen nicht gewohnt. Ich muß auf Heu schlafen, meinen Rücken richtig daran reiben und meine Nase an seinem Geruchweiden‹, erwiderte der Sänger. Die Fee drehte die Hand, und im Nu lag ein Heuhaufen da. Der Mann legte sich hin, wälzte sich mehrmals, aber dann stand er auf, um zu gehen.
›Was ist nun schon wieder?‹ empörte sich die älteste Fee.
›Euer Heu in Ehren, aber ich brauche mein Heu. Es ist anders‹, antwortete der Mann verlegen.
›Gut‹, stöhnte die Fee und drehte ihren kleinen Finger im Kreis. Das Heu verschwand augenblicklich, dann malte sie mit dem Zeigefinger noch einmal einen Kreis, und sein eigener Heuhaufen lag vor ihm. ›Hier ist dein vergammeltes Heu‹, sprach die Fee trocken. Der Mann legte sich nur einen Augenblick hin, doch er stand auf und wollte gehen.
›Was ist mit dir?‹
›Das ist zwar mein Heu, aber es muß in meiner Scheune sein. Ich muß den Nachbarn, meine Ziege und seinen Hund hören, erst dann kann ich schlafen‹, erwiderte der Sänger.
›Hund und Ziege dürfen unser Reich nicht betreten‹, zürnte die älteste Fee, ›du bist von besonderer Dummheit. Hier fehlt dir nichts, und doch willst du gehen. Nun, es sei dir erlaubt. Wie lange willst du schlafen?‹
›Ein Nickerchen nur‹, erwiderte er.
›Genügt es dir bis zum Abendgebet?‹ fragte die Fee.
›Das ist zuviel. Eine halbe Stunde reicht mir‹, erwiderte der Mann.
›Gut, du hast es gewollt. In einer Stunde kommt der Vogel und holt dich, und wenn du ihn verpaßt, dann kannst du nie wieder zu uns kommen, denn der Vogel fliegt nur alle hundert Jahre zweimal auf die Erde.‹
›Mach dir keine Sorge. Ich bin längst wach, wenn er kommt‹, erwiderte der Sänger und verabschiedete sich von den gütigen Feen. Der Vogel kam und brachte ihn im Nu nach Hause. Als seine Frau ihn wieder auf dem Dach sah, wunderte sie sich über seine feine Kleidung, und sie staunte noch mehr, als ihr Mann ihr sagte, er wisse vom Essen und von den fünfhundert Piastern. Er habe sie ihr zuschicken lassen. Die Frau war aufgebracht, denn sie hielt ihren Mann für einen üblen Aufschneider, er aber eilte unverzüglich in die kleine Scheune und legte sich hin, um sein Nickerchen zu genießen. Da fing der Hund an, fürchterlich zu bellen. Die Ziege meckerte ihre Kehle wund, und der Nachbar schimpfte mit den Kindern des Sängers, die mit einem Stein nach dem Hund geworfen hatten. ›Was für erbärmliche Kinder eines Taugenichts!‹ schrie der Nachbar. Der Sänger drehte sich um und wollte schlafen, doch der Hund jaulte, und er hörte seinen zwölfjährigen Sohn rufen: ›Ach, du Fettwanst, wenn auch unser Vater nichts taugt, wir taugen allemal etwas.‹ Lange dauerte der Streit an, doch irgendwann nickte der müde Sänger unter der Last seines vollen Bauches ein.
Als er aufwachte, war es schon dunkel. Im Heu hockend hörte er die Rufe des Muezzins zumAbendgebet. Der Sänger sprang auf, doch es war zu spät. – So werdet ihr es wie dieser bereuen, wenn ich erzähle, warum der Fisch euch bespuckt hat«, endete Samira.
»Dann tu es doch. Ich möchte es wissen und zu Mittag essen. Ich sterbe vor Hunger, während ihr vor meinen Augen genießen könnt«, scherzte König Habib.
»O liebster Bruder der Gerechten«, wandte sich
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