Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre

Titel: Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viele Verschiedene
Vom Netzwerk:
betrat. Als sie aber seine Frage hörte und vernahm, daß ihr Sohn zwar erschrocken, doch ehrlich bekannte, er habe gestern abend den Kadi gespielt und sogar ein Todesurteil gesprochen, fing die arme Frau an zu weinen und zu klagen.
    Doch Dschafar beruhigte sie: „Hab keine Furcht, o Weib, dein Sohn wird dir so gewiß wiederkehren, wie das Licht des Tages auf die Nacht folgt. Der Beherrscher der Gläubigen wünscht diesen klugen Knaben zu sehen und wird ihn, das kann ich dir schon im voraus sagen, reich beschenkt entlassen.“
    Da beruhigte sich die geängstigte Mutter, zog ihrem Sohn ein sauberes Gewand an und überließ ihn nun ohne Sorge seinem hohen Begleiter.
    Zur festgesetzten Stunde waren die Würdenträger und auch viel Volk in der Empfangshalle des Kalifen versammelt. Ali Chodschah stand mit seinem Olivenkrug neben dem Kaufmann, der einmal sein Freund gewesen war und der ihn zwar keines Blickes würdigte, in dessen Herz aber die Furcht eingezogen war. Der Kadi, der der Aufforderung des Kalifen auch nur ungern Folge geleistet hatte, blickte betroffen auf die große Zuschauermenge und vernahm dann erschrocken die Worte Harun al Raschids: „Wir werden heute einen Rechtsfall noch einmal in aller Öffentlichkeit und mit aller Gründlichkeit klären. Richter in dieser Sache wird der Knabe sein, der hier zu meiner Seite auf dem Thron sitzt. Er kennt den Fall sehr gut. Ich vertraue ihm, daß er die Verhandlung geschickt und klug führen wird. Beginnen wir!“
    Der Knabe ließ Kläger und Angeklagten vortreten und ihre Namen nennen. Seine anfänglich noch unsichere Stimme gewann an Festigkeit. Alles verlief zunächst so wie vor zwei Tagen im Gerichtssaal vor dem Kadi. Ali Chodschah brachte seine Klage ernst und ruhig vor, der Kaufmann aber leugnete laut und erhob gegen Ali die gleichen Anschuldigungen, war aber schon gepeinigt von der Angst, sein Lügengebäude könne zusammenbrechen. Zitternd erhob er seine Hände, um nochmals den heiligen Eid zu schwören.
    Der junge Richter unterbrach ihn: „Halt! Schwöre nicht, bevor wir die Wahrheit erforscht haben.“ Er wandte sich an Ali Chodschah: „Stelle den Olivenkrug hier vor den Thron.“
    Verwundert, aber zugleich erleichtert tat Ali, was ihm der Knabe geheißen. Erstaunt sah er zu, wie der junge Richter den Krug öffnete, eine Olive herausnahm und sie probierte. Dann rief der Knabe zwei Olivenhändler vor die Schranken des Gerichts und ersuchte sie zu bekunden, wie alt die Oliven seien, die sich in diesem Kruge befänden.
    Genau wie es der Fürst in der nächtlichen Spielszene vernommen hatte, sagten jetzt auch die richtigen Olivenhändler: „Diese Früchte haben ein gutes Aroma. Sie sind ganz frisch. Man kann mit Gewißheit sagen, daß sie aus der Ernte dieses Jahres stammen.“
    „Mich dünkt, ihr irrt euch“, sprach der kindliche Richter streng. „Der Kläger Ali Chodschah hat Allah zu seinem Zeugen angerufen, daß er die Oliven vor sieben Jahren in den Krug gelegt hat.“
    Bestürzt sahen die Händler den Kalifen an, warfen sich ihm zu Füßen und riefen: „Beherrscher der Gläubigen, wir sprechen die Wahrheit. Wenn du uns nicht glaubst, so laß unverzüglich andere Olivenhändler kommen. Sie werden dir dasselbe sagen: Diese Oliven sind frisch. Unmöglich können sie sieben Jahre alt sein.“
    Harun al Raschid lächelte. Er nickte dem Knaben zu. Der junge Richter aber trat vor und sprach: „Ihr sagt die Wahrheit, ich weiß es.“ Dann wandte er sich an den wirklichen Kadi: „Sage mir, hoher Richter, warum hast du das Alter dieser Oliven nicht überprüft? Warum ließest du es zu, daß der Angeklagte sich freischwören konnte?“
    Der Kadi senkte betroffen das Haupt. Dann sagte er leise: „Ich kannte den Kaufmann als einen angesehenen und gewissenhaften Mann. Jener Ali Chodschah aber war mir fremd.“
    Nun merkte der Betrüger, daß es schlimm um seine Sache stand, und dachte durch ein Geständnis seinen Kopf zu retten. Er fiel weinend vor dem Throne nieder, bekannte sich schuldig und bat Ali Chodschah um Verzeihung. Im Saal erhob sich ein erstauntes Gemurmel. Alle sahen voller Bewunderung auf den Knaben, der so schnell und sicher den Beweis der Unschuld Ali Chodschahs erbracht hatte. Dann verstummten sie und warteten gespannt auf das Urteil. Jedoch der junge Richter verneigte sich vor dem Kalifen und sagte: „Beherrscher der Gläubigen! Am gestrigen Abend, als du unserem Spiele zuhörtest, habe ich das Urteil gesprochen. Doch das hier ist kein Spiel

Weitere Kostenlose Bücher