Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
Knecht aufs Feld.
„Geh“, sagte er, „nimm die Sense und mähe fleißig, solange es hell ist, bis zum Dunkelwerden.“
Der Knecht arbeitete den ganzen Tag über auf dem Feld. Abends kam er müde heim. Der Herr aber fragte: „Warum kehrst du heim?“
„Nun, die Sonne ist doch untergegangen!“
„Nein, so geht das nicht! Ich habe dir gesagt: ,Mähe, solange es hell ist.“ Die Sonne ist zwar untergegangen, aber dafür steht ihr Bruder, der Mond, am Himmel. Der leuchtet auch nicht übel.“
„Wie, kann man denn überhaupt nicht ausruhen?“ staunte der Knecht.
„Du wirst offenbar wütend?“ fragte der Herr.
„Nein, nicht wütend, aber ich bin arg müde, will ein wenig ruhen“, erwiderte der Knecht mit unsicherer Stimme und ging wieder aufs Feld.
Er mähte, bis der Mond unterging, bis die Sonne aufging und er erschöpft ins Gras sank.
„Verflucht seien dein Feld, dein Brot und dein Geld!“ Aber kaum hatte der Knecht das ausgesprochen, da stand plötzlich, wie aus der Erde gestampft, der Herr vor ihm.
„Du bist nun also doch wütend geworden! Denk an die Bedingung: Entweder zahlst du tausend Rubel, oder du arbeitest noch zehn Jahre lang ohne Bezahlung.“
Der Knecht wurde ganz ratlos. Geld hatte er nicht, und arbeiten konnte man bei solch einem Herrn auch nicht.
Er dachte hin, er dachte her, schließlich beschloß er, zum Bruder zurückzukehren, der könnte vielleicht einen Rat geben. Doch er mußte dem Herrn einen Schuldschein über tausend Rubel überlassen. Mit leeren Händen kehrte er heim. „Wie geht es dir?“ fragte der jüngere Bruder.
Der ältere erzählte ihm alles genau.
„Das ist kein Unglück, sei nicht traurig“, tröstete ihn der Bruder. „Bleib du zu Hause, ich werde zu diesem reichen Herrn hingehen und mich als Knecht verdingen.“
Der Bauer stellte wieder die gleiche Bedingung. Wird der Knecht wütend, dann zahlt er ihm tausend Rubel oder arbeitet zehn Jahre lang ohne Bezahlung. Wird der Herr wütend, dann muß er dem Knecht tausend Rubel zahlen und ihn sofort freilassen.
„Nein, das ist zuwenig“, erwiderte darauf der jüngere Bruder. „Wenn du wütend wirst, dann zahlst du mir zweitausend Rubel, und wenn ich wütend werde, dann zahle ich dir ebenfalls zweitausend oder arbeite zwanzig Jahre lang ohne Bezahlung.“
„Gut“, freute sich der Herr.
Und der jüngere Bruder wurde sein Knecht.
Als am nächsten Tag die Sonne schon lange aufgegangen war, schlief der Knecht noch immer. Der Herr versuchte, ihn zu wecken: „Steh auf! Es ist bald Mittag, und du schläfst noch.“
„Warum bist du denn so wütend?“ fragte der Knecht und öffnete die Augen. „Aber, aber, ich bin doch nicht wütend!“ erwiderte der Herr. „Ich wollte bloß sagen, daß es Zeit ist, aufs Feld zu gehen.“
„Schon gut“, antwortete der Knecht faul. „Es hat Zeit.“
Schließlich erhob er sich und zog sich langsam die Stiefel an.
„Mach schneller, mein Lieber, so geht das nicht.“
„Was denn, bist du wütend?“
„Nein, nein, ich will nur sagen, daß du zu spät zur Arbeit kommst.“
„Das ist etwas ganz anderes. Denn du weißt ja, unsere Vereinbarung ist unverbrüchlich.“
Es wurde Mittag, ehe der Knecht fertig war.
„Lohnt es denn jetzt noch, mit der Arbeit anzufangen“, fragte er den Herrn. „Sieh mal, alle essen zu Mittag; komm, wir essen auch erst.“
Sie setzten sich zu Tisch.
Nach dem Essen sagte der Knecht zum Herrn: „Wir sind werktätige Leute, darum müssen wir ein wenig ruhen und Kräfte sammeln“, steckte seinen Kopf in das Gras und schlief bis zum Abend.
„Hör mal, das ist doch unverschämt, es dunkelt bereits. Alle haben ihre Felder gemäht, nur meins ist ungemäht geblieben. Das ist ja eine Schande!“ Mit diesen Worten weckte ihn der Herr.
Der Knecht hob den Kopf.
„Du bist wohl wütend?“ fragte er.
„Nein, nein, ich bin nicht wütend. Ich meine nur, es ist dunkel und Zeit, nach Hause zu gehen.“
„Das ist etwas anderes. Komm!“
Zu Hause erwartete den Herrn ein Gast. Der Bauer schickte den Knecht in den Stall mit dem Befehl, ein Schaf zu schlachten.
„Welches?“ fragte der.
„Welches du gerade erwischst.“
Der Knecht ging hinaus. Nach einer Weile aber kamen die Nachbarn gelaufen: „Dein Knecht ist wohl verrückt geworden, er schlachtet alle Schafe, eins nach dem anderen.“
Der Herr lief in den Stall und sah, daß seine ganze Herde geschlachtet war. Da wurde er zornig und fluchte, was das Zeug hielt.
„Was hast du getan, du
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