Märchen unter dem Wüsenhimmel
großartiger Urlaub, aber am Montag setzt der Alltagstrott wieder ein.“
„Glaubst du, dass mein Leben so einfach ist?“
„Ich weiß es nicht.“ Sie leerte ihr Glas, und Malik schenkte ihr nach. „Sag mir, wie es ist, der Kronprinz von El Bahar zu sein. Ist es schön?“
„Es macht mir Spaß, mein Land im Ausland zu repräsentieren. Ich habe die Genugtuung zu wissen, dass ich das Leben unzähliger Menschen verbessern helfe. Ich arbeite hart, aber mein Lebensstil entschädigt mich dafür.“
„Wie sagtest du doch gleich? Geld, Prestige und Macht?“
„All das.“
Liana nahm noch einen Schluck. „Aber es kann nicht ständig perfekt sein. Was verschweigst du mir?“
„Aha, du möchtest von der Schattenseite des Lebens im Palast hören.“
Er neckte sie, doch sie blieb ernst. „Ich will damit nicht sagen, dass es eine Schattenseite geben muss, aber alles hat seinen Preis. Zum Beispiel wette ich, dass du keine normale Kindheit hattest.“
„Für mich war sie normal. Ich wurde von meiner Mutter entfernt, als ich vier war, und von meinem Vater und seinen Ministern erzogen.“
„Entfernt? Heißt das, dass du sie nicht mehr gesehen hast?“
„Nicht oft. Mein Vater legte Wert darauf, dass ich zu einemstarken und selbstgenügsamen Mann erzogen wurde. Ich durfte nicht ständig von Frauen verhätschelt werden und nicht wegen jedem aufgeschrammten Knie oder verletzten Gefühl zu meiner Mutter laufen.“
„Wurden deine Brüder ebenso erzogen?“
„Nein. Jamal und Khalil blieben bei unserer Mutter, bis sie starb. Danach hatten sie Kindermädchen und Hauslehrer. Für sie waren die Verantwortlichkeiten nicht so allumfassend. Aber sie werden auch nicht eines Tages El Bahar regieren.“
Für Liana klang seine Kindheit sehr traurig und einsam. „Und wie steht es jetzt? Wist du immer noch von deinen Brüdern abgesondert?“
„Wir stehen uns nahe, aber ihr Leben ist anders. Ich bin nicht nur für die Ölproduktion unseres Landes und die Beziehungen zu unseren Nachbarstaaten verantwortlich, sondern habe auch innerhalb der Staatsgrenzen Verantwortlichkeiten. Mein Vater ist noch ein rüstiger Mann, aber er hat mir bereits einige seiner Funktionen übertragen.“
„Das klingt nach sehr viel Arbeit.“
„Ich kenne es nicht anders. Ich bin der zukünftige Herrscher meines Landes. Das Volk von El Bahar sieht zu mir auf. Es erwartet, dass ich stark bin und immer das Richtige tue. Für sie bin ich der Löwe der Wüste. Kraftvoll, fortschrittlich, furchtlos.“
„Ich glaube, du leistest großartige Arbeit. Aber du musst sehr einsam sein.“ Wohin ging er, wenn er es müde war, der Löwe der Wüste zu sein? Wer tröstete ihn, wenn er verletzt war? Wem vertraute er seine Zweifel, seine Hoffnungen, seine Ängste an?
Überrascht blickte er sie an. „Einsam? In einem Palast voller Menschen? Unmöglich.“
Leugnete er es, weil er nicht mit ihr darüber reden wollte? Oder merkte er nicht, wie isoliert er lebte? Mitgefühl stieg in ihr auf für das kleine Kind, das aus der liebevollen Fürsorge seiner Mutter entfernt und vorzeitig in einen Mann verwandeltworden war, der keine Schwäche zeigen durfte.
Aber vielleicht war es falsch, von sich auszugehen und anzunehmen, dass er sich wie sie nach jemandem sehnte, der mit ihm die guten wie die schlechten Zeiten teilte. Vielleicht lag es auch am Champagner, der ihr allmählich zu Kopf stieg.
„Ich bin sehr beeindruckt von deiner Tochter“, verkündete Malik, während er ihr Glas erneut füllte. „Sie wird eine ausgezeichnete Reiterin. Sie ist außerdem sehr klug. Ich genieße ihre Gesellschaft.“
„Überrascht dich das?“
„Ja. Ich habe mich nie mit Kindern befasst.“
„Es tut mir leid, dass ich dich beschuldigt habe, sie zu benutzen, um an mich heranzukommen. Deine Beziehung zu ihr hat nichts mit unserer Beziehung zu tun. Nicht, dass wir wirklich eine haben. Übrigens betet sie dich an.“
„Ich vermute, dass ich für sie eine Art Vaterfigur bin.“ Er beugte sich zu ihr und nahm ihr das Glas aus der Hand. „Also hast du mir verziehen, dass ich dich in den Palast gebracht habe?“
„Ja, sicher. Es war schön.“ Sein Gesicht schien vor ihren Augen zu verschwimmen. War sie betrunken von drei Gläsern Sekt? „Ich bin froh, dass wir Freunde geblieben sind.“
Er rückte näher und legte die Arme um sie. „Sind wir denn Freunde?“
„Ja“, flüsterte sie.
„Wie enttäuschend.“
„Warum? Was hast du dir denn erhofft?“
„Vielleicht etwas …
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