Märchen unter dem Wüsenhimmel
Diadem aufgesetzt. Die funkelnden Edelsteine verliehen ihren Augen einen besonderen Glanz. Oder vielleicht lag es auch an Fatimas Schminke. Die Königmutter kannte Geheimnisse, die Augen größer und Haut so perfekt wie Porzellan wirken ließen. Zum ersten Mal im Leben fühlte Liana sich wirklich hübsch.
Ein Klopfen an der Tür ließ sie zusammenzucken. Vorsichtig ging sie auf den ungewohnt hohen Absätzen öffnen.
Malik stand auf der Schwelle. In einem schwarzen Smoking und einem weißen Hemd wirkte sein eindrucksvoller Körper atemberaubend. Nachdenklich musterte er sie. „Du siehst sehr hübsch aus.“
Sie musste nach Luft ringen, bevor sie sprechen konnte. „Danke.“
„Ich habe gehört, dass du an dem Diner teilnehmen möchtest, das wir zu Ehren unseres Nachbarn im Osten geben. Bahania ist unserem Land sehr ähnlich – eine Monarchie mit dem Bestreben, auf dem Weg in die Zukunft die Vergangenheit lebendig zu halten. Meine Großmutter stammt aus diesem Land.“
Sie nickte. Fatima hatte ihr bereits einiges erzählt. „Stört esdich, wenn ich mitkomme? Du hast mir nichts davon gesagt.“
Seine Miene verhärtete sich. „Weil du deutlich klargestellt hast, dass du nicht daran interessiert bist, in irgendeiner Funktion als meine Frau zu handeln. Wenn sich das geändert hat, bist du an meiner Seite willkommen.“
Bevor ihr etwas zu sagen einfiel, drückte er ihr eine Holzschachtel in der Größe eines Brotlaibes in die Hand. „Das ist für dich“, sagte er schroff. „Es hat nicht Iman gehört. Ihre Sachen wurden verkauft, und den Erlös habe ich den Armen gegeben.“
Liana öffnete die Schachtel und erblickte eine opulente Schmucksammlung. Diamanten, Saphire, Rubine, Smaragde und Perlen lagen ineinander verschlungen. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, murmelte sie.
Malik nahm eine atemberaubende Halskette aus Saphiren und Diamanten und legte sie ihr an.
Sie befestigte die dazu passenden Ohrringe und musterte sich im Spiegel. „Ich bin eine Fremde“, flüsterte sie.
„Du bist durchaus würdig“, teilte Malik ihr mit.
Sie begegnete seinem Blick im Spiegel und hatte das Gefühl, dass er nicht nur die Teilnahme an diesem Diner meinte. Aber woher wollte er das wissen?
Er reichte ihr den Arm, und sie legte die Hand in die Beuge seines Ellbogens.
Es gelang ihr, relativ gelassen zu bleiben, bis sie durch die Doppeltür des Ballsaals schritten. Als sie jedoch die unzähligen Gäste sah und eine laute Stimme: „Kronprinz Malik und Prinzessin Liana!“, ankündigen hörte, stockte ihr der Atem. Zu allem Überfluss drehte sich jede Person im Saal um und starrte sie an.
Zum zweiten Mal an diesem Tag stürmte die Realität auf sie ein wie eine Herde wilder Araberpferde. Wenn sie mit diesem Mann verheiratet blieb, wurde sie eines Tages Königin.
„Ich empfehle dir weiterzuatmen“, murmelte Malik. „Wenndu lächelst und nickst, fangen die Leute wieder an, miteinander zu reden. Aber wenn du ohnmächtig wirst, stehst du den ganzen Abend im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.“
Sie holte tief Luft. „Das möchte ich lieber nicht.“
Er lächelte sie an. „Versuch, dich zu entspannen. Du bist charmant und sehr schön. Niemand außer mir wird merken, wie nervös du bist.“
Beinahe stolperte sie auf dem glatten Boden. Empfand er sie wirklich als schön und charmant?
Ihr blieb keine Gelegenheit, über seine Worte nachzusinnen, denn die königliche Familie reihte sich zum Empfang auf. Ein uniformierter Offizier stellte jedem die Gäste vor. Liana schüttelte die Hände von Ministern, einem europäischen Staatsmann, dem König von Bahania nebst seiner Tochter und seinen vier Söhnen. Ihr wurden Komplimente gezollt und zu ihrer Hochzeit gratuliert, als ob ihre Ehe mit Malik nichts Ungewöhnliches wäre.
Nach über einer Stunde, als ihre Lippen vom Lächeln und ihre Füße vom Stehen in den Pumps schmerzten, wurde in den Speisesaal gerufen. König Givon und der König von Bahania geleiteten Fatima in den großen Saal, gefolgt von Malik und Liana in Begleitung des Kronprinzen von Bahania.
Der Speisesaal wirkte wie ein Märchenland. An der Decke funkelten Tausende Lichter auf dunklem Grund. Edle Tischtücher aus Brokat reichten bis zum Boden. Überall flackerten Kerzen, spiegelten sich in Kristall und feinem Porzellan. Exotische Blüten in verschiedenen Farben zierten die Tische. In einer Ecke spielte ein Orchester leise Hintergrundmusik, und livrierte Kellner eilten lautlos umher und halfen den
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