Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Märchen unter dem Wüsenhimmel

Märchen unter dem Wüsenhimmel

Titel: Märchen unter dem Wüsenhimmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mallery
Vom Netzwerk:
Geltung brachten. Obwohl subtile, verräterische Anzeichen ihres Alters vorhanden waren, hätte sie für eine Frau Anfang fünfzig durchgehen können.
    Sie saßen auf einem niedrigen Sofa im Harem. Seit elf Tagen lebte Dora hinter den schützenden Mauern. Nur noch drei Tage bis zu ihrer Hochzeit. Alles um sie herum wirkte neu und fremdartig, und doch erschien es ihr in mancherlei Hinsicht, als hätte sie schon immer dort gelebt.
    „Und jetzt wollen wir über Geschichte reden“, entschied Fatima. „Erinnerst du dich …“ Sie brach ab, als Rihana mit einem großen Tablett eintrat. „Ist es schon vier Uhr? Der Nachmittag ist förmlich verflogen.“
    Rihana zögerte. „Soll ich später zurückkommen, Eure Hoheit?“
    „Nein. Natürlich nicht.“ Fatima schnupperte. „Aha, es gibt Zimtsterne zum Tee. Mein Lieblingsgebäck.“ Sie lächelte. „Du verwöhnst mich, Kind.“
    Rihana stellte das Tablett ab und begann, die Köstlichkeiten auf dem Tisch vor dem Sofa aufzubauen.
    Dora, die das Ritual jeden Nachmittag gesehen hatte, stand auf und trat auf den Balkon. Im Gegensatz zu dem normalenWohnbereich und den Büroräumen blickten die Fenster des Harems nicht auf das Meer, sondern auf die Gärten hinaus.
    Am ersten Abend hatte Fatima sie durch die Gemächer geführt, die entworfen worden waren, um Frauen zu erfreuen wie gefangen zu halten. Es gab Dutzende von Schlafkammern unterschiedlichen Ausmaßes, die den Bewohnerinnen entsprechend ihres Ansehens beim König zugeteilt wurden. Die Bäder waren mit kunstvollen Mosaiken verziert, die erotische Szenen zwischen Nixen und Seemännern darstellten. Wasser strömte aus goldenen Händen, und die Juwelen auf der Rückseite der Handspiegel waren groß und echt.
    Die Gemeinschaftsräume waren durch Torbögen, nicht durch Türen abgeteilt, sodass der Bereich weitläufig und offen erschien. Eine verborgene Treppe führte hinauf zu einem kleinen, abgeschlossenen Raum. Früher einmal hatte von dort aus der Eunuch über die Frauen in seiner Obhut gewacht und der König seine Schönheiten besichtigt, um seine Wahl für die Nacht zu treffen.
    Nun stand Dora, eine Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts, in demselben Harem. Sie war so anders als die Frauen von früher, deren einzige Lebensaufgabe darin bestanden hatte, ihrem König Freude zu bereiten – und doch so gleich. Seit sie in El Bahar weilte, drehte sich ihr Leben hauptsächlich um die Launen des Prinzen, den sie so impulsiv geheiratet und in den vergangenen elf Tagen nur beim Dinner im Kreis der Familie gesehen hatte.
    Sie erschauerte, als sie sich an den vergangenen Abend erinnerte. Er hatte sie derart glühend angeblickt, dass sie keinen Bissen mehr heruntergebracht und sich gefragt hatte, wie sie an seinem Verlangen zweifeln konnte. Ob er sie liebte oder nicht, blieb fraglich, aber vorläufig musste ihr sein Verlangen reichen. Nur noch drei Tage, bis sie in einer traditionellen Zeremonie getraut wurden. Eine Zeremonie mit bedeutungsvollen Ritualen,die so alt wie die Zeit waren.
    Sie hörte das Schließen der Eingangstür und kehrte in das zentrale Gemach zurück. Fatima hatte bereits Tee eingeschenkt und das Gebäck auf zwei Teller verteilt.
    „El Bahar stand nie unter britischer Kolonialherrschaft“, bemerkte Dora, während sie ihren Platz auf dem Sofa wieder einnahm. „Warum also englischer Tee?“
    „Tee trinken ist sehr zivilisiert.“ Lächelnd reichte Fatima ihr eine zarte Porzellantasse. „Du hast in den vergangenen Tagen viel über unsere Geschichte gelernt.“
    „Die Bücher, die du mir geliehen hast, sind sehr interessant. Ich möchte so viel wie möglich über mein neues Land erfahren.“
    „Ich habe die ganze Welt bereist und einige Zeit in deinem Heimatland verbracht. Ich weiß einiges über die amerikanische Kultur. Ihr seid klug, redegewandt, gut organisiert und von Natur aus Führungskräfte. Frauen stehen beruflich zahlreiche Möglichkeiten offen. Warum hast du also als Khalils Sekretärin gearbeitet?“
    „Du meinst, warum ich nicht in der Geschäftsführung einer Firma gearbeitet habe?“
    „Genau.“
    „Ich habe kein volles Studium absolviert. Ich hatte zwar ein Stipendium, aber es gab gewisse Probleme, und ich habe das College verlassen.“ Dora verstummte. Fatima war zwar warmherzig und freundlich, aber sie war auch eine Frau von Klasse und Bildung und hätte sicherlich kein Verständnis für die schäbigen Details aufgebracht.
    „Du hast deine Ausbildung nie fortgesetzt?“
    Dora

Weitere Kostenlose Bücher