Märchen unter dem Wüsenhimmel
inne und senkte den Blick. „Es war ein Streit unter Liebenden. Wir waren beide so dumm. Khalil besteht darauf, mein Leben zu diktieren, und ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich habe ihm gesagt, dass es aus ist.“ Sie schaute Dora an. „Er war so wütend. Also bin ich gegangen. Aber anstatt mir nachzulaufen, ist er zu Ihnen gegangen. In Ihr jungfräuliches Bett.“
Dora versteifte sich. Woher wusste Amber …
„Er hat es mir gesagt“, beantwortete Amber die stummeFrage. „Er erzählt mir alles. Können Sie sich vorstellen, wie sehr ihn die Entdeckung bestürzt hat, dass Sie unschuldig waren? Da er durch und durch ein Ehrenmann ist, musste er Ihnen wohl oder übel einen Heiratsantrag machen. Natürlich hätten wir nie gedacht, dass Sie annehmen würden.“
Doras Magen verkrampfte sich, und ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Er hat darauf bestanden“, brachte sie mühsam hervor.
„Ach ja?“ Amber trat vor den Spiegel und befühlte ihr perfekt frisiertes Haar. „Er kann sehr überzeugend sein. Wie peinlich für uns alle, dass Sie ihm geglaubt haben. Mein Vater ist bestürzt, wie auch das ganze Land. Ich bin eine auserwählte Tochter, während Sie … es nicht sind.“
Dora wusste nicht, was sie denken oder fühlen sollte. Sie wich einen Schritt zurück.
Amber lächelte traurig. „Und vor allem geht es darum, dass wir uns lieben. Ich weiß nicht, was ich anfangen soll.“
„Er liebt Sie nicht“, wandte Dora ein.
Amber drehte sich zu ihr um. Mitgefühl erhöhte die Schönheit ihres Gesichtes. „Hat Khalil seit der ersten Nacht mit Ihnen geschlafen?“
Dora öffnete den Mund, fand aber keine Worte. Stumm schüttelte sie den Kopf.
„Und war er mit Ihnen zusammen, seit Sie in meinem Land sind?“
„Ich war im Harem“, flüsterte sie mühsam.
„Khalil hat es geschafft, den Weg in das Haus meines Vaters zu finden, das am anderen Ende der Stadt liegt und so gut bewacht ist wie der Palast. Meinen Sie nicht, dass er den Weg über den Korridor gefunden hätte, wenn er gewollt hätte?“
Dora erblasste. Ihre Augen brannten, aber sie durfte den Tränen nicht nachgeben.
„Er war jede Nacht bei mir“, fuhr Amber leise fort. „Wirsind verrückt nacheinander. Zum Teil liegt es wohl am Reiz des Verbotenen.“ Sie seufzte. „Er ist so von Leidenschaft erfüllt, dass seine Augen glühen, selbst nachdem wir Befriedigung gefunden haben.“
Ein Schluchzen stieg in Doras Kehle auf. Sie wollte all die infamen Behauptungen nicht glauben, aber sie enthielten zu viele Details und Fakten. Galt die Leidenschaft, die sie in seinen Augen gesehen hatte, tatsächlich Amber? Es war zwei Wochen her, seit sie allein mit ihm gewesen war. Das entsprach kaum dem Verhalten eines Mannes, der seine Braut liebt.
Schlimmer noch war, dass sie nie wirklich daran geglaubt hatte, dass er ausgerechnet in sie verliebt war. Sie war nicht der Typ, der solche Leidenschaft erweckte. Sie war nur eine gewöhnliche Frau – im Gegensatz zu Amber. „Warum heiratet er mich dann?“
„Hat er denn eine Wahl?“, entgegnete Amber mit bitterem Unterton. „Haben Sie ihm einen Ausweg geboten? Haben Sie nur einmal nicht an sich selbst gedacht? Natürlich nicht! Ehe er Zeit hatte, eine Alternative zu finden, war er schon verheiratet. Sie haben ihn ausgenutzt. Sie sind habgierig und egoistisch.“
Dora wich noch einen Schritt zurück. „So war es nicht. Ich habe nie …“
Amber winkte ab. „Am Tag nach der Hochzeit sind Sie einkaufen gegangen und haben Tausende von Dollar für Kleider ausgegeben. Und was ist mit dem Ehering und den Juwelen?“
„Ich habe keine Juwelen. Der Kopfschmuck gehört Fatima. Und ich habe keine Kleider verlangt.“
„Aber Sie haben sie genommen. Sie haben nichts abgelehnt.“
Mühsam klammerte Dora sich an den letzten Rest ihrer Würde und weigerte sich zu weinen. „Sie irren sich.“
„Das werden wir ja sehen. Sie haben Khalil in die Ehe gelockt, aber das ist nur vorübergehend. Mit der Zeit wird seineLeidenschaft zu mir sein Pflichtgefühl übersteigen, und er wird Sie verlassen. El Bahar hat in den vergangenen fünfzig Jahre große Fortschritte gemacht, und es ist überraschend leicht für einen Mann, sich scheiden zu lassen – sogar für einen Prinzen. An Ihrer Stelle würde ich mich nicht zu sehr daran gewöhnen, im Palast zu leben.“
„Das würde er nicht tun“, flüsterte Dora, obwohl sie wusste, dass er es sehr wohl tun konnte.
„Bauen Sie nicht darauf. Ich kenne Khalil bis ins Innerste. Ich
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