Märchen unter dem Wüsenhimmel
dich wohler fühlen.“ Und dann war er gegangen.
Nun stand sie mitten in diesem Raum und blickte sich um. Das Bett war groß, aber dennoch viel schmaler als das Ehebett im Hauptschlafzimmer. Es war kein Balkon vorhanden, aber die Fenster blickten hinaus auf die Gärten, und das Badezimmer war luxuriös ausgestattet.
Es hatte nicht lange gedauert, ihre Sachen in die Suite zu bringen. Sie besaß nicht viel und musste ihre Garderobe einer Prinzessin entsprechend erweitern. Das bedeutete eine Reise nach Paris und London, doch die Aussicht behagte ihr gar nicht. Sie besaß nicht viel Sinn für Mode und hatte gehofft, dass Jamal mitkommen und sie beraten würde. Schließlich hatte er mit zahlreichen elegant gekleideten Frauen verkehrt. Doch nun bezweifelte sie, dass er bereit war, sie irgendwohin zu begleiten.
Sie spazierte in das Wohnzimmer und musterte das lindgrüne Sofa, die Clubsessel und den niedrigen Couchtisch. An den Wänden hingen farbenfrohe Gemälde. Eine breite Terrassentür führte hinaus auf den Balkon, der einen wundervollen Ausblick auf das Meer bot.
Das war also ihr neues Zuhause. Hierher sollte sie nach der Arbeit an den historischen Texten zurückkehren. Innerhalb dieser Wände würde sie alt werden – ignoriert und verachtet von ihrem Ehemann, der es bereits hasste, mit ihr verheiratet zu sein. Sie hatte nicht erwartet, die wahre Liebe zu finden, aber sie hatte sich zumindest Freundschaft erhofft.
Alles war schief gelaufen. Vermutlich deshalb, weil sie alles falsch gemacht hatte. Was nützte es, intelligent und gebildet zu sein, wenn sie ihr Privatleben derart verpfuschte? Sie kamsich sehr töricht vor. Nach vierundzwanzig Stunden bereute ihr Mann bereits die Heirat, und ihr erging es nicht anders.
Sie atmete tief durch und erkannte, dass sie sich von diesen trübsinnigen Gedanken ablenken musste. Vielleicht sollte sie mit Dora reden, die eine vernünftige Frau war und ihr die Freundschaft angeboten hatte.
Kurz entschlossen eilte Heather aus der Suite. Trotz der sengenden Hitze draußen war es kühl in den Korridoren des Palastes. Mühelos bewegte sie sich durch das Labyrinth an Fluren. Als Kind hatte es ihr großes Vergnügen bereitet, das alte Gebäude zu erforschen und an jeder Ecke etwas Wundervolles zu entdecken – eine kleine Grotte in der Wand, einen Springbrunnen, ein Mosaik, das eine Geschichte erzählte. Die Säulen und Torbögen waren ihr stets exotisch und doch vertraut erschienen. Sie hatte sich danach gesehnt, hierher zu gehören. Nun tat sie es, doch nicht in der erhofften Weise.
Als Ministerin in der Regierung von El Bahar besaß Dora eigene Geschäftsräume im Büroflügel des Palastes. Heather folgte der Beschilderung und erreichte das Foyer. Das Empfangspult war nicht besetzt. Sie zögerte. Sollte sie warten, bis jemand kam, um sie anzumelden, oder durfte sie einfach eintreten?
Die Tür zu Doras Büro stand einen Spalt breit offen. Kurz entschlossen klopfte Heather leise an und trat ein. Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, und erstarrte, als sie zwei Personen beim Fenster erblickte. Ihr stockte der Atem.
Dora und Khalil standen eng umschlungen da. Er hatte eine Hand unter ihren Rock geschoben und den anderen Arm um ihre Taille geschlungen. „Ich will dich“, murmelte er. „Ich brauche dich.“
„Aber du hattest mich doch letzte Nacht“, wandte Dora neckend ein.
„Und ich werde dich heute Nacht und morgen Nacht und bis ans Ende unserer Tage brauchen.“
Dora lachte sanft und berührte seine Wange. „Ich liebe dich.“
„Und ich liebe dich“, murmelte er, und dann küssten sie sich.
Leise verließ Heather den Raum und schloss die Tür hinter sich. Ihr Gesicht glühte, und ihre Brust war wie zugeschnürt.
Das war also romantische Liebe und Leidenschaft. Sie hatte es nie zuvor gesehen. Nicht im wirklichen Leben, und in den Filmen wirkte es irgendwie anders. Sie hatte nicht geahnt, dass es so wundervoll, so verlockend sein konnte.
War es das, was Jamal von ihr wollte? Diese Verbundenheit, diese Art von Intimität? Sie hatte geglaubt, dass sie eine körperliche Beziehung als abstoßend empfinden und sich benutzt fühlen würde. Doch was sie soeben zwischen Dora und Khalil beobachtet hatte, erschien ihr sehr reizvoll und hatte nichts mit ihren Erfahrungen mit den beiden grabschenden Jungen im College zu tun.
Aber wie sollte sie diese Erkenntnis mit Jamal teilen? Mit ihm darüber zu reden, erschien ihr allzu demütigend.
Doch vielleicht war es gar nicht
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