Märchen unter dem Wüsenhimmel
ertragen“, bemerkte sie fröhlich und vergaß dabei erneut, ihre Stimme zu verstellen.
„Das sehe ich“, murmelte er. „Aber das hier ist kein Ort für eine Frau wie Sie.“
„Wie mich?“
„Ja. Zart, sexy und sehr schön.“ Er blickte ihr in die Augen. „Ich bin begeistert, dass uns das Schicksal zusammengeführt hat.“
„Wirklich?“
„Sie nicht?“
Sie blickte zu ihm auf. Ihre Augen tränten ein wenig, aber sie blinzelte nicht mehr so viel.
„Spüren Sie nicht die Hand des Schicksals?“
„Also wollen Sie mich wiedersehen?“
Er lächelte charmant. „Mit jedem Atemzug.“
Sie schluckte schwer und wich einen Schritt zurück. „Sie können mich im Hotel erreichen.“
„Ich werde mich melden“, versprach er.
Der Fahrstuhl öffnete sich. Er schob Heather hinein und drückte den Knopf für ihr Stockwerk. Dann war sie fort.
Jamal stand da mit dem Gefühl, von einem Lastwagen überfahren worden zu sein. Einer von ihnen war verrückt, und er konnte nicht mit Sicherheit sagen, dass er es nicht war.
„Sir, Ihr Wagen.“
Er drehte sich um und erblickte seinen schnittigen silbernen Lamborghini. Er gab dem Parkwächter ein Trinkgeld und setzte sich hinter das Lenkrad.
Er achtete nicht auf das Wurzelholz oder die speziellen Armaturen. Er bemerkte kaum das sanfte Schnurren des Motors, als er aus dem Parkhaus fuhr. Er war zu sehr gefesselt von dem geheimnisvollen Spiel seiner Frau. Was in aller Welt mochte sie im Schilde führen?
8. KAPITEL
N ormalerweise verfolgte Jamal voller Genuss, wenn Heather den Kronprinzen neckte und verunsicherte. Doch an diesem Abend konzentrierte er sich weniger auf das Gespräch als auf die Tatsache, dass sie vor knapp fünf Stunden in einem Hotelzimmer die Rolle einer anderen gespielt hatte. Es fiel ihm sehr schwer, jene Frau mit derjenigen zu vereinbaren, die ihm nun am Tisch gegenüber saß.
Honey hatte ein verführerisches Kleid getragen, das mehr enthüllte als verdeckte. Ihr lockiges rotes Haar und das Make-up hatten ihre zarten Züge unterstrichen, und sie hatte sich aufreizend gegeben mit ihrem Getue und ihrem albernen Gerede.
Heather hingegen trug ein sandfarbenes Kleid, das wie ein Sack an ihrem Körper hing. Ihr Haar war zu einem strengen Knoten zurückgekämmt. Sie trug keine Spur von Makeup, und ihr einziger Schmuck war der Ehering.
Hätte er die Verwandlung nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte er sie niemals für fähig gehalten, sich so verführerisch zu kleiden und zu geben.
Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu, richtete die Aufmerksamkeit wieder auf Malik und verkündete: „Die Kronprinzen von El Bahar haben schon immer als ruhmreiche Feldherren Geschichte gemacht. Im dritten Jahrhundert zum Beispiel gab es einen Königssohn, der eigenhändig eine Armee von dreitausend Mann bezwang.“
Malik verschluckte sich beinahe an seinem Dessert. „Ein Mann gegen dreitausend?“
Sie zuckte die Achseln. „So steht es in den Texten.“
„Das ist lächerlich. Kein Mensch kann so viele bezwingen, nicht ohne moderne Technologie, und selbst damit ist es sehr zweifelhaft.“
„Ich nehme an, Kronprinzen waren damals einfach stärker“,bemerkte sie mit einem Seufzen, so als hielte sie den Zerfall alter Werte für äußerst bedauerlich.
Jamal unterdrückte ein Grinsen. Auch der König und Fatima wirkten belustigt.
Nur Malik blieb ernst. „Die Texte lügen. Es erstaunt mich, dass du ihnen glaubst.“
Mit Unschuldsmiene blickte Heather ihn an. „Es tut mir leid, Malik. Ich hatte nicht die Absicht, dich …“
Er sprang auf. „Sag es ja nicht! Ich bin äußerst fähig als Kronprinz.“
„Aber natürlich bist du das“, murmelte sie. „Niemand sagt etwas anderes. Gewiss nicht ich. Ich finde, dass du dich sehr gut machst – innerhalb deiner Grenzen.“
Er öffnete den Mund zu einer heftigen Entgegnung. Dann erkannte er, dass alle sich köstlich amüsierten. „Jamal, bring deine Frau zur Räson.“
„Bruder, arbeite an deinem Sinn für Humor.“
„Du hast gut reden. Du hast ja keine neue Schwester, die deine Leistungen kritisiert.“
„Zieh einfach aus und besiege diese dreitausend“, schlug Dora hilfreich vor.
„Habe ich dreitausend gesagt?“, warf Heather erschrocken ein. „Das war ein Versprecher. Der Kronprinz besiegte dreißig Krieger.“
Malik knurrte. Der König und Fatima lachten. Jamal lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und freute sich darüber, dass Heather sich so wohl in seiner Familie fühlte. Natürlich hatte sie
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