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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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du nimmst es hin und bist entsühnt, leichtfertig und leicht gerührt. Wo warst du, verantwortungsloser Schwätzer, an jenem Tag, an dem ich meine Hand auch über deine Hügel ausstreckte, sie zu bewahren? Schliefest du im Kelch einer Blume, Träume von neuen Liedern auf den Lippen? Scherztest du am südlichen Strand mit den willfährigen Sylphen und Dryaden der Lorbeerhaine? Oder lagst du, toll und voll deines geliebten Weines, berauscht dem brüderlichen Gott mit dem Rebenkranz am Herzen?«
    Klinger kniete noch immer, tief gesenkten Hauptes. »Wo immer ich auch war, ich war nicht hier«, erwiderte er, »aber auch wenn ich hier gewesen wäre, hätte es nicht in meiner Macht gestanden, zu helfen.«
    »Nein?« krächzte Darenna. »Nicht einmal ein Löwenbaby aus dem Strom fischen, wie? Lieber die Augen abwenden von allem, was nicht schön und heiter ist?«
    »Vater!« rief Leontine beschwörend und umklammerte den alten Mann, als wolle sie ihn zurückhalten von weiteren Worten.
    »Laß, Leontine«, sagte der Elb und erhob sich. »Er tut wohl recht daran, so mit mir zu sprechen, und nur, daß es vor deinen Ohren geschieht, trifft mich hart. Ich kann nichts weiter sagen, als daß ich meine Worte bereue. Was ich sagte, habe ich wahrhaftig geglaubt, denn mein Herz war verbittert wegen der Zwänge, die er über mich verhängt hatte.«
    Das Mädchen sah ihn fragend an. »Was für Zwänge? Wovon sprichst du, Norman? Suchst du nun nach Gründen für die Beleidigung, die du ihm angetan hast?«
    Klinger drückte die Hand auf die Brust. »Es schmerzt noch immer, ja«, sagte er. »Aber ich weiß nun, daß du dich abgewandt hast von mir, weil ich deine Bedingung nicht annehmen konnte, und so sei denn die Abmachung für null und nichtig erklärt. Ja, mein noch immer geliebtes Mädchen, ich war bei ihm, gleich nachdem du mich batest, es zu tun, aber ich konnte es dir nicht sagen, denn das Schweigen darüber war eine Bedingung. Ich will nun, daß es vorbei ist. Zeig ihr das Schriftstück, Feuersalamander.«
    Ohne ihn eines Blicks zu würdigen, erhob sich Darenna achselzuckend und holte aus der Schublade das Papier. Leontine las langsam, mit dem Finger Zeile für Zeile folgend, dann entfiel das Blatt ihren Händen.
    »Ich verstehe nicht. . ., ein Drache, der . . .«
    »Er ist noch bei mir zu Haus.«
    »Eine Bedingung von mir . . .«
    »Die du nanntest.«
    »Und das Mal?«
    Schweigend öffnete Klinger sein Gewand und enthüllte das Zeichen, das in ihrer Anwesenheit wie Feuer glühte. Sie verbarg das Gesicht in den Händen.
    Darenna nahm das Blatt auf und zerriß es, während er sich krächzend räusperte. »Erledigt«, sagte er trocken. »Die Echse wird abgezogen. Sie erlauben . . .«
    Er wollte die Hand nach der Brust des anderen ausstrecken, aber der trat zurück und kreuzte die Hände über dem Signum. »O nein«, sagte er. »Ich habe es getragen als ein Zeichen der Hoffnung, und nun will ich es behalten auch in der Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit, denn wenn ich Leontine auch nie Wiedersehen sollte, werde ich sie trotzdem lieben, bis die Welt aufhört, im Reigen der Planeten mitzutanzen. Du hast Großes getan an dieser Stadt, Darenna, und so zögere ich, das, was du an mir versuchtest, tückisch und böse zu nennen. Vielleicht verstehe ich den geheimen Sinn nicht, die Absicht, die dahintersteckt. Ich sehe nur, daß du versuchtest, mich zu erniedrigen und klein zu machen, und daß du dich selbst klein machtest dabei. Ich bin Glorion Ingildor, ein Fürst der Erstgeborenen, genannt Tar-Ciryatan, und kein Wesen Mittelerdes soll mir den Fuß auf den Nacken setzen. Auf ewig will ich mich scheiden von dieser Seite des Grundes und seinen Bewohnern.«
    »Fahr hin, hochmütiger Elb«, erwiderte Darenna verächtlich, »ich dachte mir wohl, daß du nichts zu begreifen vermöchtest. Dein flatterhafter Sinn hält nichts. Geh zu den Deinen, der Gebieter des Feuers trägt dir nichts nach.«
    Aufgereckt, im vollen Schmuck ihrer Würden standen sie voreinander, bereit, sich zu trennen in Feindschaft für alle Zeit. Da trat Leontine zwischen sie und breitete die Arme wie zu großer Rede. Aber ihre Lippen bewegten sich tonlos, und es dauerte, bis sie langsam und wie abwesend zu reden begann.
    »Und ich?« hauchte sie. »Ich, um die ihr vorgebt, dies alles zu tun? Niemand hat mich gefragt, nein. Niemand will wissen, was ich will. Vielleicht will ich mit ihm gehn, wer weiß? Vielleicht bleiben? Ach, es ist euch gleichgültig. Ihr gebt vor, mich zu

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