Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67
den mannichfaltigsten Blumen verbreitete sich überall. Käthchen saß mit dem alten Mütterchen auf einem seidenen Kanapee, und wußte nicht, was sie zuerst bewundern sollte.
»Ist's hier nicht besser, als dort in eurer russigen Hütte?« sagte sie zu ihr. Käthchen aber konnte nicht Worte finden, um der Alten zu danken. »Folge mir nur in Allem,« sagte diese, »so wirst du es nicht bereuen, mit mir gegangen zu seyn. Jetzt komm, daß ich dich sauber und nett ankleide, und deinen Gespielinnen dich vorstelle.« Sie führte sie hierauf in ein zierliches Stübchen, wo ein schöner Schrank von Ebenholz mit vergoldetem Schnitzwerk sich befand; diesen öffnete sie und sprach: »Alle Kleider, die du hier siehst, gehören dir; dies Stübchen bewohnst du allein, und schläfst auch hier.«
Nun mußte sich Käthchen mit wohlriechendem Wasser waschen, unsichtbare Hände bedienten sie, kleideten sie an, ringelten ihre Haare, und putzten sie auf das Schönste aus. Dann hielt ihr das Mütterchen einen Spiegel vor, und sagte: »Nun, wie gefällst du dir so?« Käthchen erstaunte über sich selbst, und bewunderte sich mit vieler Eitelkeit; selbst die Mädchen in der Stadt dünkten sie schlecht dagegen angezogen zu seyn.
Waldweibchen führte sie wieder in den Saal zurück, wo eine Menge junger, und eben so schön geschmückter Mädchen versammelt war, die sogleich auf Käthchen zugingen, sie umarmten und küßten, und ihr versprachen, das Leben so heiter zu machen, daß sie sich nicht wegsehnen sollte. Dann flochten sie ein Kränzchen von grünen Blättern in ihre Locken, und reichten ihr allerhand köstliche Früchte und Leckereien dar, welche Käthchen um so begieriger verzehrte, da sie dergleichen Süßigkeiten noch nie genossen hatte.
Endlich, da sich Alle müde fühlten, sagten sie freundlich einander gute Nacht, und Käthchen, zufrieden und glücklich durch ihre neue Lebensart, entschlief unter süßen Träumen, und wurde am folgenden Morgen erst spät durch ihre Gespielinnen geweckt, welche mit ihr einen Spaziergang machen wollten. Schnell war sie in ihren Kleidern, und nun zogen sie zusammen fort.
Der Palast des Waldweibleins war in einem Thale, welches mit den schönsten und mannichfaltigsten Blumen geschmückt war; aber Käthchen kannte keine derselben; sie bemerkte weder das bescheidene Veilchen, noch die Lilie der Unschuld, noch die Rose der kindlichen Liebe. Alle Blumen hier waren von hochrother und gelber Farbe, oder aschgrau und braun. Anfangs schienen sie ihr nicht so schön, als die andern Mädchen behaupteten, und nur nach und nach erhielten sie mehr Reiz für sie.
Bäche flossen hier und dorthin, mit lieblichen Gebüschen umgeben; schöne bunte Vögel saßen auf den Zweigen, und sangen munter und lustig; köstliche Früchte winkten von den tief gebogenen Zweigen der Bäume; kurz, Alles war hier vereinigt, was eine Gegend nur schön und reizend machen konnte.
Ihre Gespielinnen zeigten ihr hierauf die Pracht und die Reichthümer des ganzen Schlosses. In einem Zimmer fanden sie große Haufen seidene Zeuge und die schönsten Spitzen, in einem anderen kostbare Edelsteine, in einem dritten feines Nesseltuch und Flor, und so immer fort. Zwei Zimmer waren noch übrig, in welche sie nicht gingen. »In dem einen,« sagten die Mädchen, »sind die sprechenden Vögel, und zu diesen dürfen wir nicht; und das andere ist die dunkele Kammer, in welche Waldweibchen alle diejenigen sperrt, welche die sprechenden Vögel besuchen, oder es wagen, außerhalb des Thales zu gehen.«
Käthchen hatte Alles mit Verwunderung gesehen und gehört, und der Aufenthalt bei dem Waldweibchen machte ihr anfangs viel Vergnügen. Den ganzen Tag ging sie im Thale spazieren, und mußte sich die Namen der Blumen merken, und deren Eigenschaften und Wirkungen kennen lernen. Alle aber dienten dazu, den Menschen zum Theil unglücklich zu machen, und je schimmernder oft eine Blume war, desto giftiger und unheilbarer war ihre Kraft.
Käthchen fand bei dieser Beschäftigung wenig Unterhaltung, und fühlte oft die größte Langeweile; sie wünschte zuweilen etwas thun zu dürfen; aber dazu fehlte es ihr an Gelegenheit. Nach und nach lernte sie auch ihre Gespielinnen genauer kennen, und sie wurden ihr immer mehr zuwider: denn keine meinte es aufrichtig und gut mit der andern; sie waren neidisch gegenseitig, wenn die eine etwas Besseres bekommen hatte, als die andere, und suchten sich auf alle Weise bei dem
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