Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67
sind.«
»Ist nicht möglich!« schrie Bubu. »Ich – ein allergnädigster König und Herr? Leutchen, es träumt euch! gnädig mag ich wohl seyn, aber König und Herr bin ich mein Tage nicht gewesen. Ich habe meinen Brüdern ihre Stiefel gewichst, und – ich weiß nicht, wie viele Jahre, ich aus dem Hundeschüsselchen gegessen, und im Bierkrug Pönitenz gethan: wie sollte ich jetzt auf ein Mal König geworden seyn? Es wäre doch ein Spaß, wenn ich es wirklich wäre! – Er sagt, es seyen die Minister und Generale draußen; rufe Er sie mir doch herein, ich bin begierig, was sie mir sagen werden.«
Sogleich traten die Herren herein, und nannten den kleinen Bubu ebenfalls ihren allergnädigsten König und Herrn. Da konnte er fast nicht länger mehr zweifeln, daß er es sey.
Während er noch mit ihnen sprach, und sich nicht genug wundern konnte, über Nacht ein regierender König geworden zu seyn, fühlte er ein kleines Drücken auf dem Kopfe. Er langte hinauf, und zog – eine goldene Krone herunter, und sah sich zugleich mit einem königlichen Kleide angethan.
Nun konnte Bubu nicht mehr zweifeln, und sagte zu den Ministern und Generalen: »Ja, ja! ich bin Euer allergnädigster König und Herr; haltet Euch Alle brav, und seyd mir gehorsam, dann sollt Ihr es gut bei mir haben! – Der Tisch ist gedeckt, und Ihr seyd sämmtlich zur Tafel geladen.«
Darauf setzten sich Alle, die geladen waren, an die Tafel, und aßen mit dem größten Appetite.
»Aber mein Himmel!« sagte Bubu, als er kaum angefangen hatte zu essen, »habe ich denn keinen Mundschenken, wenn ich König bin? Warum läßt man mich denn dürsten?«
Sogleich wurde ein ganzer großer Korb voll Weinflaschen gebracht, und dem Könige Bubu, nebst den übrigen Gästen, die Gläser gefüllt. Kaum hatte aber Bubu das erste Glas ausgeleert, als es mit einem Male ganz hell und klar in seinem Kopfe wurde; beim zweiten Glase fühlte er, daß seine Muskeln sich dehnten; er mußte sich strecken, und eben so, wie er, streckten sich zugleich alle seine Minister und Generale, und da Bubu zum Zelte hinaus sah, streckte sich das ganze Volk, und das ganze Heer. Es war gerade der Tag, an dem Bubu anfangen sollte, zu wachsen, und mit ihm wuchs Alles, was aus der Schachtel, folglich aus seinen Händen, hervorgegangen war.
Nach der Tafel wurde Befehl ertheilt, daß eine große Stadt erbaut werden sollte. Die Baumeister entwarfen sogleich den Plan dazu; die Bauern und Holzhauer gingen in den Wald, und fällten Holz; die Steinbrecher brachen Steine, Alles, was Hände hatte, mußte Hand an's Werk legen. Mitten in der Stadt erhob sich ein prächtiger königlicher Palast, der von einem großen, kunstvoll eingerichteten Garten umgeben war; es wurden Kirchen, Spitäler, Kasernen, ein Rathhaus, ein Waisenhaus, und noch viele andere schöne Gebäude angelegt, die zu einer großen Königsstadt gehören. In weniger als einem Jahre wurden die Arbeitsleute damit fertig, denn sie waren ungemein fleißig.
Während dieser Zeit war auch König Bubu mit seinen Ministern und Generalen und Hofleuten und seinen sämmtlichen Unterthanen so schnell gewachsen, daß sie nun völlig so groß waren, als andere Menschen. Und wunderbar genug! mit den Leuten wuchsen auch ihre Häuser, ihre Kleider, ihre Gefäße, kurz Alles wuchs, was ihnen angehörte.
Da sich nun die Menschen in der schönen Königsstadt so schnell vermehrten, daß sie diese gar nicht mehr fassen konnte, so wurden neue Städte, Dörfer und Flecken angelegt, und es entstand auf solche Art nach und nach ein großes und mächtiges Reich, über welches der ehemalige Stiefelwichser Bubu als König herrschte.
Zehn Jahre hatte er schon regiert, als man eines Tages zwei fremde Landstreicher und Diebe ergriff, welche der König Bubu vor sich führen ließ. Er entsetzte sich nicht wenig, als er in ihnen seine beiden Brüder erkannte, denen er entlaufen war; sie aber erkannten ihn nicht, und hätten eher des Himmels Einfall vermuthet, als daß der große König, vor dessen Füßen sie sich niederwarfen, und um Gnade flehten, ihr kleiner Bruder Bubu sey.
»Was?« sagte er zu ihnen mit einem zornigen Blicke, »ihr Schelme untersteht euch, mich um Gnade zu bitten? Ich habe euch nicht kommen lassen, um euch zu begnadigen, sondern euch zum Tode zu verurtheilen; denn könnt ihr leugnen, daß ihr euern jüngsten Bruder Bubu ermordet habt?«
»Ach nein!« erwiederten sie zitternd;
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