Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Märchenmord

Märchenmord

Titel: Märchenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
Vom Netzwerk:
Arbeitsplatte. »Wenn er unten steht und nach dir sieht, dann sind wir in seinem Rücken.« Es klang einleuchtend. Nie würde der Mann damit rechnen, dass sie in dem Haus hinter ihm war, während er sie in Nikolajs Wohnung suchte. »Außerdem können wir uns hier doch einmal umsehen.« »Aber was willst du hier finden?«, fragte Gina. »Wenn nicht einmal die Polizei eine Spur von dem Mädchen entdeckt hat. Die haben schließlich Spezialisten für so etwas.« »Die Polizei«, sagte Noah, »die sieht nur, was sie sehen will. Und warum sollte sie nach einem Mädchen suchen, das in ihren Augen nicht existiert.« »Aber sie…« »Jaja, ich weiß. Du hast sie gesehen.« Er hob die Hände, als hätte er Angst vor Ginas hysterischen Ausbrüchen. »Also war sie auch hier.« Er glaubte ihr. Noah glaubte ihr und er kannte sie nicht einmal. »Vielleicht«, sprach Noah weiter, »hat die Polizei etwas übersehen. Sie sind nicht immer so schlau, wie sie tun. Sie wissen vielleicht nicht, wonach sie suchen müssen.« Was er sagte, machte Sinn. Wenn sie etwas fanden, könnte Gina die Polizei überzeugen, dass es hier tatsächlich einen Mordfall aufzuklären gab. »Diese Wohnung«, erklärte Noah, während er sich umsah, »gehört einem reichen Teppichhändler aus Marrakesch. Er heiß t Mazirh und lebt die meiste Zeit in Marokko. Er kommt nur einbis zweimal im Jahr hierher. « »Woher weißt du das? « »Jeder weiß das hier in der Straße. Ansonsten frage ich mich , wer außer ihm einen Schlüssel haben könnte. « Natürlich. Jemand musste einen Schlüssel haben. Wenn etwa s nicht in Ordnung war. Zum Beispiel ein Feuer ausbrach. Dara n hatte Gina nicht gedacht . Noah hob den Daumen . »Da ist erst einmal der Teppichhändler selbst… « »Der in Marrakesch ist… « »Aber er hat einen Schlüssel. Dann die Concierge, also di e Hausmeisterin, mit der habe ich schon gesprochen. Das ist di e dicke Frau, die… « »Die mit dem kleinen Köter, der aussieht wie ein dreifache r Hamburger? « Noah nickte . »Ja, und? « »Aber die ist taub und blind. « »Und weiter? « »Dann gibt es noch eine Frau, die hier putzt. « In Ginas Kopf machte es klick! Eine Putzfrau ! »Und dabei handelt es sich um die Nichte der Concierge, Brigitt e Reno.« Gina hörte den Triumph in Noahs Stimme . »Und du meinst, dass sie das Mädchen hereingelassen hat? « »Ich meine gar nichts. Ich stelle nur die Möglichkeiten fest.« E r begann sich umzusehen. »Niemand lebt irgendwo, ohne Spure n zu hinterlassen. Fangen wir also an zu suchen.« Noah spran g von der Arbeitsplatte herunter und reichte Gina sein Halstuch . »Wenn dir das Atmen zu schwer wird, dann halte das vor de n Mund. «
    »Und du? « »Ich bin ein Kind der Wüste. Dort glüht die Sonne so heiß, das s die Kakteen von alleine brennen wie Kerzen… « Er grinste und Gina hatte wieder einmal keine Ahnung, ob e r das ernst meinte .
    *
    Nein, die Polizei hatte recht. Es hab keinen Hinweis, dass hier noch vor zwei Tagen jemand gewohnt hatte. Alles wirkte unbewohnt, ja geradezu verlassen. Der Kühlschrank war abgeschaltet. Es gab keinen Strom. Nichts zu essen, nichts zu trinken. Nur eine Reihe dunkler Anzüge hing ordentlich im Kleiderschrank und zeugte davon, dass hier jemand lebte, der es sich leisten konnte, eine unbewohnte Wohnung mitten in Paris zu besitzen. Der einzige Raum, den sie noch nicht betreten hatten, war das Zimmer, in dem der Mann das Mädchen angegriffen hatte. Gina wollte das Zimmer auch nicht betreten. Sie hatte Angst, die Erinnerung, der Schock würde zurückkommen. »Möchtest du warten?«, fragte Noah. Er musste den siebten Sinn haben, dass er immer wusste, was sie dachte. Einen geheimnisvollen Draht zu ihren Gedanken. »Nein«, sie schüttelte den Kopf. »Ein Löwe leiht dem anderen nicht die Zähne, oder?« »Genau.« Noah öffnete die Tür. Kaum hatte Gina den ersten Schritt in den Raum gemacht, als sie erschrocken das Halstuch vor den Mund schob. Oh Gott, diese Luft. Als ob jemand ein verbranntes Tuch auf ihr Gesicht presste. Gina spürte Rauch in ihrem Rachen und konnte nicht atmen, nicht sprechen. Die Erinnerung kehrte mit voller Wucht zurück. Ob wohl der letzte Funke des Feuers längst verloschen war, glaubte sie, das Prasseln zu hören. Sie spürte die Hitze auf ihrer Haut brennen. Doch in Wirklichkeit waren es nur Ascheflocken, die durch den Raum schwebten. Mit jedem Schritt wirbelten sie durch die Luft. Und was ihr durch das Fenster von gegenüber wie ein Raum aus

Weitere Kostenlose Bücher