Märchenprinz Sucht Aschenputtel
früher immer um mich gewesen, und daraus habe ich geschlossen, dass ich so gut wie alles über dich weiß. Aber das stimmt nicht, oder?“
„Du erfährst immer mehr“, entgegnete sie. „Aber warum ist es wichtig für dich, viel über mich zu wissen?“
„Vielleicht, weil du eine interessante Persönlichkeit bist?“
„Ach ja, klar, deswegen“, sagte sie ironisch. „Ich bin faszinierend.“
Tate ging nicht darauf ein, sah sie aber weiterhin an, als wäre es tatsächlich so. „Deine Mutter hat dich also weggeschickt, damit du das richtige Leben kennenlernst, und jetzt macht sie sich Sorgen, dass du trotz allem doch in meine Welt geraten könntest?“
„Dass ich mir wünschen könnte, in deiner Welt zu leben“, korrigierte sie. „Aber ihr ist nicht klar, wie gut ihre Lektion gewirkt hat. Gerade weil ich erlebt habe, wie hart das richtige Leben für Menschen sein kann, will ich all die Missstände aufdecken, die dazu führen. So gut ich kann.“
„Deshalb bist du zum Fernsehen gegangen?“
„Na ja, es ist natürlich nicht dasselbe, wie jemandem auf dem Operationstisch das Leben zu retten. Oder jeden Tag in einem Obdachlosenheim zu arbeiten – obwohl ich da schon manchmal ausgeholfen habe und es auch wieder tun werde, wenn ich wieder in Dallas bin. Aber als Fernsehjournalistin habe ich die Möglichkeit, Ungerechtigkeit öffentlich zu machen und vielen Menschen auf einmal zu zeigen, wo und wie sie Hilfe finden können. Und ich glaube wirklich daran, dass so etwas die Welt verändern kann …“
„Das wird ein Bericht über den Fund eines seltenen Diamanten wohl kaum schaffen.“
Tanya nickte. „Aber ich hoffe, dass der Beitrag mir den Durchbruch verschafft, damit ich in eine Position komme, wo ich die Wahl habe. Bisher durfte ich gerade mal im Schneesturm stehen und über vereiste Straßen berichten, und das war nie mein Ziel. Die ganze Sache soll mir nur einen Platz als ernsthafte, ambitionierte Reporterin verschaffen.“
„Ich bewundere deine Ziele und deine Entschlossenheit.“
Tanya war etwas enttäuscht darüber, dass es so unpersönlich und distanziert klang. „Es ist nichts Besonderes, sondern nur die Geschichte, wie ich zu der Frau wurde, die ich heute bin. Aber wahrscheinlich wolltest du das alles gar nicht wissen und langweilst dich zu Tode.“ Sie versuchte, ihre Enttäuschung zu verarbeiten, indem sie das Geschirr zusammenstellte. Dabei wollte sie ja gar nicht, dass er persönlicher wurde. Sie wollte schließlich nicht mehr von ihm …
Deshalb musste sie diese ganze Geschichte beenden, bevor sie richtig begonnen hatte.
„Wir sollten wohl langsam los“, sagte sie, als sie zum Tisch zurückkehrte. Doch Tate saß noch immer so entspannt da wie vorher.
„Es war genau das, was ich wissen wollte“, erklärte er, als hätte sie das gerade erst gesagt.
„Warum? Weil du mehr über deine Angestellten und ihre Angehörigen erfahren willst?“
Jetzt reagierte sie wieder genauso wie an den Abend, als er ihr von der Trennung von Katie erzählt hatte. Sie versuchte sich mit leichtem Spott zu schützen.
Doch heute schien ihm das nichts auszumachen. Sehr geduldig antwortete er: „Jedenfalls habe ich mich mit dir noch nie gelangweilt. Ich unterhalte mich gern mit dir und höre dir ebenso gern zu. Ich mag einfach mit dir zusammen sein.“
Oh nein, jetzt machte er alles noch schlimmer …
„Du brauchst mir nicht …“
Er lachte. „Ich weiß. Ich sage nur, wie es ist. Aber du möchtest gehen, und deshalb machen wir uns auf den Weg.“
Als sie wieder beim Wagen waren und er ihr die Tür aufhielt, meinte er: „Jetzt sagst du bestimmt als Nächstes, dass wir nur wegen deines Jobs überhaupt Zeit miteinander verbringen und uns schnellstens wieder an die Arbeit machen sollten.“
Das hatte sie tatsächlich sagen wollen.
„Meine Mutter hatte schon recht – als Arbeit kann man den heutigen Abend nicht gerade bezeichnen.“
„Dann betrachte unser Treffen einfach als Anprobe für Arbeitskleidung, gefolgt von einer Essenspause in der Kantine“, erklärte er trocken, als er selbst einstieg.
Auf der kurzen Fahrt nach Hause schwiegen sie beide.
Tanya konnte sich nicht vorstellen, woran er dachte, aber sie nahm jedes Detail an ihm wahr. Den leichten Duft seines Aftershaves, die kleine Welle in seinem Haar, wo es auf den Kragen traf. Seine großen, feingliedrigen Hände auf dem Lenkrad.
Mom hat recht, sagte sie sich. Für Tate bin ich nichts weiter als eine kurze Ablenkung, ein Ausflug
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