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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katmore
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meinem Stuhl auf und schnitt ihm das Wort ab. „ Sie waren also der Verräter, der sie zu dieser Anhörung eingeladen hat?“ Eine schrille Sirene ging in meinem Kopf an, die meine Vernunft völlig außer Kraft setzte.
    „Setz dich wieder hin, Jona“, knurrte Quinn verbissen. Seine Hand auf meiner Schulter drückte mich nach unten. Ich quengelte, doch schließlich musste ich seiner Kraft nachgeben.
    „Und ich bin froh“, fuhr Abe fort, als hätte ich ihn gar nicht erst unterbrochen, „dass sie mir von Ihren Verwandten in Frankreich erzählt hat, die bereit sind, Sie aufzunehmen und Ihnen ein Zuhause zu bieten. Ihr Onkel und Ihre Tante besitzen dort Weinberge, in denen Sie jeden Tag bis zu Ihrer Volljährigkeit freiwillige Arbeit leisten werden.“
    Jetzt war er wohl völlig durchgeknallt. „Sie wollen mich aufs Festland verschiffen? Wie einen Sklaven? Das dürfen Sie nicht! Das ist illegal !“
    Oh mein Gott. Und was, wenn nicht?
    Abe wies meinen Einspruch mit einem einfachen Hochziehen der Augenbrauen ab. „Da Ihre Mutter durch schwerwiegende gesundheitliche Probleme auf die Hilfe anderer angewiesen ist, lebt auch sie derzeit im Haus ihrer Schwester in Frankreich. Wir sehen dies als einmalige Gelegenheit für Sie an, Ihre Familie besser kennenzulernen und die Bande zu stärken.“
    „Wie soll man etwas stärken, das noch niemals existiert hat?“, maulte ich. Auf dieser Welt gab es absolut gar nichts, das irgendetwas zwischen mir und meiner Mutter formen oder verstärken konnte. Ganz zu schweigen von einem Familienband. Bloß keinen Kontakt mit der Schlampe und ihrem kleinen Schoßhündchen, vielen Dank. Und wo zu Teufel kam überhaupt diese Tante her, von der Abe die ganze Zeit redete? Ich hatte noch nie von irgendwelchen Verwandten gehört, ob in England, Frankreich oder sonst wo.
    Wenn ich noch einmal protesthalber aufsprang, würde Quinn mich nur wieder zurück auf den Stuhl drücken. Also hob ich stattdessen meinen rechten Arm wie ein braves Schulmädchen, um die Aufmerksamkeit des Richters zu erlangen. Blöderweise kam durch die Handschellen auch meine linke Hand mit hoch. „Bitte, ich möchte lieber ins Gefängnis.“
    Quinn warf mir einen entsetzten Blick von oben herab zu. Ich nahm nur kurz Notiz von ihm, konzentrierte mich dann aber wieder auf Abes trübe Augen und wartete auf seine Entscheidung.
    „Ich gehe davon aus, dass Sie Ihr letztes Schuljahr im vergangenen Frühling positiv abgeschlossen haben?“
    Meine Noten in Algebra waren zwar hundsmiserabel, und ich hatte auch keine Ahnung, was diese Frage mit meiner Bestrafung zu tun haben sollte, doch ich nickte.
    „Und Sie besuchen derzeit auch keine Sommerkurse in Miss Mulligans Jugendheim?“
    „Nein.“
    „Dann werden Sie die nächsten sechs Wochen mit Ihrer Familie in Frankreich leben.“ Er schlug den kleinen Holzhammer auf die runde Scheibe auf seinem Tisch und besiegelte damit mein grausames Schicksal. „Und jetzt verlassen Sie mein Amtszimmer und kommen Sie nie mehr wieder.“
    Ich war so was von am Arsch.
    Als schließlich alle anfingen, Pläne über meinen Kopf hinweg zu schmieden und sich die Stimmen im Raum zu einem schmerzhaften Gemurmel in meinem Kopf entwickelten, hatte Quinn Mitleid und ließ mich draußen warten. Erst musste ich ihm jedoch versprechen, nicht abzuhauen oder Streit mit einem Wachbeamten anzufangen. Dafür hatte er den Stinkefinger verdient, doch ich hielt mich zurück und schenkte ihm nur ein kühles Lächeln.
    Am Gang rutschte ich mit dem Rücken die Mauer entlang hinunter, bis ich mit angezogenen Beinen auf dem kalten Fußboden saß, und stützte meine Ellbogen auf die Knie. Die Kette der Handschellen rasselte leise, als wollte sie sich über mich lustig machen. Auf diese Weise gefesselt, würde ich nicht weit kommen, sollte ich mich nach draußen schleichen. Ich konnte mich also ebenso gut meinem Schicksal fügen.
    Völlig niedergeschlagen und nicht weniger verwirrt, lehnte ich meinen Kopf zurück und betrachtete die fade Decke. Dieser Ausblick war immer noch interessanter als die nervtötenden Blicke der vorbeistolzierenden Leute. Aus einer alten Angewohnheit—wenn ich für mich selbst war und knietief im Schlamassel steckte—begann ich leise ein Lied zu summen. Ich wusste nicht einmal dessen Namen, doch schon immer hatte mich die Melodie auf eine seltsame Art und Weise beruhigt. Die Chancen standen nicht schlecht, dass ich mir das Lied vor Jahren selbst ausgedacht hatte. Doch in der Zwischenzeit hatte

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