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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katmore
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Schritt den Gang runterlaufen. Zwei. Drei. Vier. „Warum bist du dir da so sicher?“ Halt endlich deinen verdammten Mund, Jona! „Nach allem, was du über mich weißt, werde ich abhauen, sobald du um diese Ecke dort biegst.“
    Sein lässiges Schulterzucken und ein niedliches Lächeln ließen mich schließlich verstummen.
    „Ich vertraue dir.“ Einen Moment später war er um die Ecke verschwunden.
    Mir stand der Mund weit offen.
    Mir vertrauen? So ein Blödmann. Der musste ganz schön einen an der Waffel haben, wenn er dachte, ich sei vertrauenswürdig. Ich raffte mich auf und stakste in Richtung Ausgang. Doch schon nach wenigen Schritten krachte ich gegen eine solide Mauer aus schlechtem Gewissen.
    „Verdammt noch mal!“ Ich trat fest gegen die Wand neben mir, wobei meine Schuhsohle einen schwarzen Strich auf der weißen Farbe hinterließ. Ich sollte noch nicht einmal darüber nachdenken hierzubleiben. Also warum um alles in der Welt zögerte ich? Noch dazu wegen einem Fremden.
    Noch nie zuvor hatte ein Ausgangsschild so einladend ausgesehen. Und doch hinderten mich unsichtbare Fesseln daran, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Das Atmen fiel mir plötzlich schwer und Wut brannte wie eine grelle Flamme in mir. Ich konnte nicht verstehen, wie ein Fremder so viel Macht über mich haben konnte. Was passierte hier?
    Er sollte mir verdammt noch mal den Buckel runterrutschen. Schließlich hatte ich ihn nicht darum gebeten, mich zu befreien.
    Aber er hatte es trotzdem getan. Und er vertraute mir.
    Ein tiefes Knurren stieg mir aus der Kehle. Ich blickte frustriert an die Decke und fuhr mit gekrallten Fingern durch mein Haar. Dann seufzte ich schwer und kehrte zurück an den Platz, wo er mich zuvor aufgefunden hatte. Allerdings versteckte mich hinter der Säule in der Mitte, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete auf seine Rückkehr.
    Nur wenige Sekunden später hörte ich Schritte näher kommen. Sie stoppten und ein leises Seufzen drang zu mir durch. Ich grinste und genoss diesen kurzen Moment des Triumpfes, bevor ich mit einer Schulter gegen die Säule gepresst um diese herumrutschte und ihm unter die Augen trat.
    Seine Mundwinkel wanderten nach oben. „Wie schön. Du bist noch hier.“ Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Ich imitierte sein Grinsen. „Fahr zur Hölle.“ Daraufhin drehte ich mich um und marschierte geradewegs zurück in Abes Büro, fest entschlossen, Quinn als meinen Bodyguard anzuheuern, damit er mir diesen gottverdammten Samariter vom Leib halten würde.
     
     
    Ich zog den Reißverschluss meines Rucksacks zu, in den ich gerade meine drei T-Shirts, das einzige andere Paar Jeans, das ich besaß, und meine wenigen Bücher gestopft hatte. Die Sonne verkroch sich gerade hinter Londons Dächern. Dies war meine letzte Nacht im Jugendheim—meinem Zuhause seit über zwölf Jahren.
    Der alte Abe hätte mich lieber ins Kittchen schicken sollen. Konnte auch nicht viel schlimmer sein als diese Jugendanstalt. Aber mich aus dem Land zu verbannen und dazu zu verurteilen, mit meiner Mutter im selben Haus zu leben, war unsagbar grausam. Diese Ruchlosigkeit hätte ich nicht einmal ihm zugetraut.
    „Es ist ja nicht mal für zwei Monate“, hatte Quinn nach der Anhörung gemeint. „Du bist ein taffes Mädchen. Du wirst es überstehen.“
    Tatsächlich war Quinn der Einzige, den ich wirklich vermissen würde.
    Es klopfte an der Tür. Das musste er sein. Der Richter und Miss Mulligan hielten es für eine gute Idee, dass ich den Abend mit meiner Mutter und ihrem Schoßhündchen verbrachte, bevor ich mich morgen mit ihnen auf die weite Reise machen würde. Charlene hatte bei dem Gedanken übers ganze eingefallene Gesicht gestrahlt, während ihr seltsamer Freund versucht hatte, sein blödes Grinsen mit einem Husten zu vertuschen. Dass Quinn mich zu dem Treffen begleiten würde, war meine Bedingung, unter welcher ich einwilligte.
    Ich öffnete die Tür … und riss die Augen fassungslos auf. Quinn in Zivilkleidung. Das war ja mal was ganz Neues.
    Ohne seine Uniform wirkte er sogar noch jünger als sonst. Das engsitzende graue T-Shirt und die ausgewaschenen Jeans standen ihm echt gut.
    Mein schwarzer Sweater und die zerrissenen Jeans schienen mir plötzlich keine so gute Idee mehr zu sein. Vielleicht hätte ich die Sicherheitsnadel doch lieber stecken lassen sollten.
    Quinn bot mir seinen gebeugten Arm an. „Na Kleine, bist du bereit?“
    „Bereit, um dem Drachen unter die Augen zu treten

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