Märchensommer (German Edition)
Nächstes eine kleine Klappe aus Metall. Sah irgendwie komisch aus. Ich stand auf und untersuchte das katzentürartige Ding genauer. Wenn man dagegen drückte, klappe es nach hinten weg. Aus Neugierde steckte ich schnell mal meinen Kopf hinein. Da drin war es stockdunkel. „Halloooo-oooo“, rief ich hinein und meine Stimme hallte lustig wider.
Jemand räusperte sich hinter mir.
Ich knallte mit dem Schädel gegen die Klappe, als ich zurückzuckte und mich schnell aufrichtete. Aua, das hatte weh getan.
„Das ist ein Wäscheschacht. Du wirfst deine alten Sachen da rein und sie fallen direkt in den Waschkeller.“
Ich blickte Julian scharf an und rieb mir die Stelle am Kopf, wo in wenigen Minuten sicher eine riesige Beule herausschießen würde. „Klopfen is’ wohl nicht in Frankreich, wie?“
„Eigentlich habe ich geklopft. Aber du hast nicht geantwortet. Ich wusste ja nicht, dass du hier drinnen Frotteeprinzessin spielst.“
Meine Wangen wurden heiß wie zwei glühende Kohlen. Mit einem Knurren zog ich mir das Badetuch von den Schultern und ließ es hinter meinem Rücken verschwinden. „Und was ist das?“, fragte ich und nickte dabei zu dem Kleiderstapel in seinen Armen.
Julian machte kehrt und ließ die ganze Ladung auf mein Bett fallen. „Marie wollte, dass ich dir das bringe. Anscheinend zieht sie die Sachen nicht mehr an. Sie meinte, du kannst behalten, was dir gefällt, und deine alten Klamotten verbrennen.“
„Das hat sie gesagt?!“
„Na ja, vielleicht nicht unbedingt das mit dem Verbrennen.“ Er grinste mich blöd an. „Ich dachte nur, jetzt wo du so viele neue Anziehsachen hast, kannst du die schäbigen Lumpen sicher entsorgen.“
„Meine Klamotten sind nicht schäbig!“ Das Geräusch meiner knirschenden Zähne vibrierte durch meinen Kopf. Wenn ich nicht aufpasste, würde ich meine Backenzähne bald bis auf ein Minimum herunter geschliffen haben.
Julian deutete auf mein Bein. „Da ist ein Loch in deiner Hose.“
„Dieses Loch ist persönlich .“
„Ooh warte, verrat’s mir nicht. Es ist eine spezielle Erinnerung an einen deiner Raubzüge.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Die Jeans gingen dann wohl bei einer dramatischen Flucht kaputt, oder?“
Fall doch tot um!
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern. Meine Lippen blieben versiegelt. Doch die Martens waren das aufgeschundene Knie und das Loch in der Hose allemal wert gewesen.
Julian lachte laut, als er mein Zimmer verließ, denn offensichtlich wusste er, dass er mit seiner Vermutung genau ins Schwarze getroffen hatte. Dämlicher Idiot. Genervt latschte ich zurück ins Bad, zog mich aus und stellte mich unter die heiße Dusche. Dieses Mal schloss ich aber vorher ab.
Ich konnte nicht genau sagen, wie lange ich unter der Dusche stand, doch als ich rauskam und mich in ein luftig weiches Badetuch einwickelte, hatte die Haut an meinen Händen und Füßen Ähnlichkeit mit Rosinen. Mein Haar duftete wie ein See aus Rosenwasser, und mein ganzer Körper sog gerade eine Lotion auf, die nach wilden Beeren roch. Marie würde schon nichts dagegen haben, dass ich den Kram hier im Bad verwendete. Schließlich hatte sie ja extra betont, dass ich mich wie zu Hause fühlen sollte.
Im Schrank neben dem Marmorwaschbecken fand ich einen Fön, mehrere Haarbürsten und eine große Auswahl an Spangen, Gummibändern in verschiedenen Farben, Haarreifen und weiß der Teufel, was noch alles. Sie hatte das ganze Zeug wohl kaum gekauft, als sie noch gehofft hatte, schwanger zu werden. Bestimmt hatte sie den Schrank gefüllt, als sie von meinem Besuch hörte. Die Lady machte es einem aber auch verdammt schwer, sie nicht zu mögen.
Als ich damit fertig war, mein Haar zu trocknen, fühlten sich meine üblicherweise strohigen Strähnen an wie ein Wasserfall aus Seide. Strahlendes Kastanienbraun umrahmte mein Gesicht, und ich musste schon zweimal hinsehen, um sicherzugehen, dass das wirklich ich im Spiegel war. Wie ein wilder Mustang schüttelte ich meinen Kopf hin und her, als ich übermütig aus dem Bad galoppierte. Mein weiches, duftendes Haar streichelte dabei angenehm über meine Wangen. Quietschend sprang ich aufs Bett und rollte mich auf den Rücken. Ich fühlte mich wie ein frisch gepflückter Pfirsich.
Im nächsten Moment hörte ich Schritte auf dem Balkon und hielt erschrocken den Atem an. Wer war das denn? Ich presste das Badetuch fester an meinen nackten Körper und beobachtete die offene Balkontür. Doch niemand kam herein. Auf
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