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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katmore
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Sendepause.
    „Bitte“, jammerte ich und warf Julian dabei einen Welpenblick zu. „Kannst du mir nicht helfen, den Monsterbecher aufzuessen? Ist doch schade um das leckere Eis.“
    Marie, die bereits mit ihrem Becher fertig war, gab Julian ihren langstieligen Löffel. Abwechselnd löffelten wir den Rest Eiscreme aus dem Glas. Am Ende fischte Julian eine Kirsche von ganz unten heraus. Sie war der krönende Abschluss.
    Ich war zum Platzen voll und alles spannte bereits um meinen Bauch, doch diese kleine Kirsche sah verboten lecker aus. Noch nie hatte ich Gelegenheit gehabt, eine zu kosten. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen.
    Aus Julians Augen grinste der Schalk, als er seinen Löffel mit der Kirsche darauf an seinen Mund führte. Mein Herz sackte nach unten und mein sehnsüchtiger Blick verwandelte sich in ein enttäuschtes Schmollen. Da zwinkerte mir Julian zu und balancierte die Kirsche auf dem Löffel in meine Richtung. Er hielt sie mir direkt unter die Nase.
    Ich biss mir auf die Unterlippe. Sollte ich sie ihm wirklich wegschnappen? Schließlich hatte er sie als Erster entdeckt.
    „Jetzt mach schon. Sie gehört dir“, forderte er mich mit einem Lächeln auf.
    Ich öffnete den Mund und Julian fütterte mich mit der kleinen roten Frucht. Dabei waren seine Augen die ganze Zeit auf meine gerichtet. Ich bekam fast eine Gänsehaut. Die Kirsche platzte zwischen meinen Zähnen. Whoa. Den sauren Geschmack hatte ich nicht erwartet. Ich verzog das Gesicht und schluckte das Fruchtfleisch, ließ den Kern aber im Mund. Ich rollte ihn an meinen Zähnen entlang, als wir wenig später das Bistro verließen und zu Maries Wagen zurück spazierten.
    Wir legten noch einen kurzen Stopp beim Supermarkt ein, wo meine Tante noch einmal ein kleines Vermögen für Lebensmittel und Säfte ausgab, dann fuhren wir die Landstraße entlang zurück nach Hause.
    Mit jeder weiteren Meile, die wir hinter uns ließen, sank meine gute Laune etwas mehr. Der Tag mit Marie und Julian war wunderschön gewesen. Doch bereits in ein paar Minuten würde die Visage meiner Mutter wieder alles zerstören.

14.   Ein Lied für Jona
     
     
    ZU HAUSE ANGEKOMMEN, schleppten Julian und ich die schweren Einkaufstüten hinter Marie in die Küche. Kaum hatten wir die Tür geöffnet, stieg mir auch schon der warme Duft von Schokoladenkuchen in die Nase und nahm mich mit auf eine Reise zurück in meine Kindheit. Ganz plötzlich verspürte ich den Wunsch, mich auf den Zehenspitzen zu drehen, bis mir schwindlig wurde. Ein Kichern entwischte mir, ohne dass ich es wollte. Doch der Anblick meiner Mutter, die sich gerade zum Backofen hinunterbeugte und den Kuchen herauszog, half schnell, dieses seltsame Verhalten unter Kontrolle zu bekommen.
    „Ihr kommt gerade richtig zum Kaffee“, freute sie sich, als wir hereinkamen und die Tüten auf der Theke abstellten. „Ich hab deinen Lieblingskuchen gebacken, Jona.“
    Wut fuhr spiralartig in mir hoch. Nicht nur, weil sie es wieder einmal gewagt hatte, mit mir zu plaudern, als trennten uns keine furchtbaren zwölf Jahre, sondern weil es eine Erinnerung war, die nur ihr und mir gehörte und die mich gerade zum Lächeln gebracht hatte. Ich kämpfte darum, mich wieder im Hier und Jetzt zu verankern und die Dinge aus meiner Vergangenheit im dunkelsten Verließ meines Gehirns wegzusperren, wo sie auch die letzten paar Jahre verschlossen waren.
    „Und warum genau bist du dir so sicher, dass du auch nur ansatzweise weißt, was ich mag und was nicht? Ist ja nicht so, als hättest du in letzter Zeit mal im Heim vorbeigeschaut, um es herauszufinden.“ Meine giftige Stimme brachte mir einen kritischen Stoß von Julians Ellbogen in die Rippen ein. Es war mir scheißegal. Schließlich tat der Stoß ja nicht so weh wie der Stich, den ich vor einer Minute in meiner Brust gespürt hatte. Ich sah Julian nicht einmal an, sondern drehte mich um und suchte mir einen Platz am Tisch.
    Marie brachte kurz darauf die Kaffeekanne und füllte unsere Tassen, während Charlene den Kuchen aufteilte. Sie reichte auch mir ein Stück auf einem weißen Teller.
    Der Teufel sollte mich holen, wenn ich auch nur einen Bissen von dem verdammten Kuchen essen würde. Ich sah ihr fest in die Augen, hatte all die alten Erinnerungen wieder vergraben und sagte dann gefühllos: „Nein danke. Ich verzichte auf deinen beschissenen Kuchen.“ Die Temperatur um mich herum hatte gerade den Nullpunkt erreicht.
    Meine Tante und mein Onkel tauschten daraufhin

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