Märchensommer (German Edition)
wiederholte er und lachte dabei erstaunt. „Ich schlage vor, wenn du sie behalten willst, dann schuldest du mir was.“
Hmm. Er war bereit zu tauschen? Könnte interessant werden. „Was willst du dafür haben?“
Die Tasse demonstrativ erhoben, wackelte er mit den Augenbrauen. „Ich will, dass du mit mir frühstückst.“
Ich grinste verschlagen. „Geht klar. Bring das Zeug rein und wir können auf meinem Bett essen.“
„Hier draußen.“ Diesmal war es, als würden seine Augen allein die Worte sprechen, nur unterstrichen von einem sinnlichen Knurren. Wie könnte ihm je ein Mädchen widerstehen?
Ich konnte es im Moment jedenfalls nicht. „In Gottes Namen“, rief ich und warf dabei die Arme in die Luft. „Dann gib mir schon die verdammte Tasse.“ Schneller, als mein Verstand mir folgen konnte, stürmte ich nach draußen in die warme Sonne. Doch bereits nach dem ersten Schritt hatte mich mein Verstand eingeholt und zwängte mir die altvertraute Panik auf. Ich ignorierte sie und lief einfach weiter.
Julian sah für eine Millisekunde genauso erschrocken aus wie ich. Er hatte kaum noch genügend Zeit, die Tasse zur Seite zu halten, bevor ich, ohne zu zögern, in ihn hinein krachte. „Immer langsam, Prinzessin.“ Sein freier Arm schlang sich fest um mich und gab mir Sicherheit.
Ich presste meine Augen zu und vergrub mein Gesicht mit einem Wimmern in seiner Schulter. Julians Bauchmuskeln zuckten, als er vor Staunen leise lachte. „Du überraschst mich immer wieder.“
Ich überraschte mich in diesen Tagen sogar immer wieder selbst. Was machte ich denn eigentlich hier? Julian umarmen—ich war wohl total übergeschnappt. Doch plötzlich wurde ich mir über jeden Quadratzentimeter seines Körpers bewusst, der sich fest gegen meinen drückte. Ich blickte ratlos hoch in seine Augen. Seine Nasenspitze berührte meine, als er seinen Kopf leicht zu mir nach unten neigte. Mein Herz hätte in diesem Moment wohl wie verrückt schlagen müssen. Doch stattdessen setzte es komplett aus.
Julians Umarmung lockerte sich. Seine Hand kam langsam nach oben und legte sich sacht auf meine Wange und meinen Hals. Dabei streichelte sein Daumen über meinen Wangenknochen. Er blinzelte langsam und dazwischen starrte ich die ganze Zeit in seine funkelnd blauen Augen.
Der Balkon, das Haus, ja die ganze Welt um mich herum verschwand in den Hintergrund. In diesem Moment hätte ich sogar auf dem Eifelturm stehen können und hätte mich dabei kein bisschen gefürchtet.
Von innen heraus stieg eine blubbernde Wärme in mir auf. Meine Finger verkrallten sich in seinem orangen Hemd. Ich zwang mich loszulassen und legte meine Hände flach auf seine Brust, damit ich ihm nicht versehentlich den obersten Knopf abriss. Als er seinen Kopf langsam weiter zu mir herunter neigte, leckte ich mir über die Unterlippe. Schon wieder atmete ich viel zu schnell.
Ich wollte Julian kosten, wollte wissen, wie er schmeckte und wie seine Lippen sich anfühlten. Doch in dem Augenblick, als unsere Lippen sich berührten, spürte ich, wie sich jeder Muskel in Julians Körper verkrampfte, und er machte einen unerwartet plötzlichen Rückzieher. Auf meiner Wange blieb eine kalte Stelle zurück, als er seine Hand fallen ließ.
Er hüstelte trocken und überreichte mir dann die Tasse mit der heißen Schokolade. „Du solltest den Kakao trinken, solange er noch warm ist.“
Seine kühle Stimme riss mich zurück in die Realität. Völlig durcheinander blinzelte ich ein paar Mal. Beschämung legte sich wie ein Würgegriff um meinen Hals, als ich die Reue in seinen Augen sah.
Ein Kuss. Was für ein fantastischer Einfall.
Ich hätte es besser wissen sollen. Hier waren wir wieder einmal. Der Punkt, an dem ich weggestoßen wurde. Ging diesmal sogar etwas schneller als sonst. Was war nur in mich gefahren, dass ich mich so derart hatte gehen lassen? Ich kämpfte darum, meine Kontrolle wiederzuerlangen. Dann nahm ich die Tasse aus seiner Hand und setzte mich mit meinem Rücken gegen die Hausmauer gelehnt auf den Boden.
Kleine Schlucke von der heißen Schokolade wärmten meinen Bauch. Aber sie konnten nichts gegen die Kälte in meinem Herzen ausrichten.
Julian stand immer noch wie angewurzelt da und studierte mich von oben. Wahrscheinlich verfluchte er gerade den Moment, in dem er mich aus meinem Zimmer locken wollte. Noch vor ein paar Sekunden hätte ich geschworen, dass er dasselbe Kribbeln verspürt hatte wie ich, bevor er sich zu mir herüber gelehnt hatte, um
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