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Märchensommer (German Edition)

Märchensommer (German Edition)

Titel: Märchensommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katmore
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mich zu küssen. Tja, wie schnell sich die Dinge doch änderten.
    „Warum hast du es dir anders überlegt?“, fragte ich ihn heiser.
    „Wie bitte?“ Auf unglaublich süße Weise zogen sich seine Augenbrauen zusammen, und er sah aus, wie ein Erstklässler, der keine Ahnung hatte, was der Lehrer von ihm wollte. Das war vermutlich genau der Blick, den Julian so oft von mir bekam.
    „Frühstück?“ Ich hob meine Tasse und machte ein hoffnungsvolles Gesicht. „Du hast gesagt, du machst eine Ausnahme für mich. Willst du jetzt doch nichts mehr?“
    Was ihm auch immer gerade durch den Kopf gegangen war, es verschwand aus seinem Gesichtsausdruck, als er zweimal blinzelte und leicht den Kopf schüttelte. Er stellte den Teller mit dem Toast zwischen uns und setzte sich dann mir gegenüber auf den Boden.
    In den nächsten paar Minuten verputzte ich zwei Scheiben Toast mit Erdbeermarmelade. Julian aß nichts. Er trank nur in langsamen Schlucken von seiner Tasse Kaffee. Keiner von uns beiden sagte ein Wort. Als ich mit meinem Getränk fertig war, nahm Julian mir die Tasse ab und trug sie mit dem anderen Geschirr auf dem Tablett in sein Zimmer.
    Zurück kam er nicht mehr.
    Ich stieß den Seufzer aus, der mir in den letzten zehn Minuten die Luft abgeschnürt hatte, kroch in mein Zimmer und lief dann ins Bad. Vielleicht half eine Dusche ja gegen die Enttäuschung, mit der ich gerade zu kämpfen hatte. Doch nicht einmal der heiße Wasserstrahl, der auf mich herab prasselte, konnte mein wachsendes Verlangen nach diesem Mann von mir fortschwemmen.
    Wahrscheinlich sollte ich sogar froh sein, dass er mich nicht wirklich geküsst hatte. Solche Dinge verkomplizierten einfach alles. Und kompliziert war meine Situation nun echt schon genug.
    Als der Tag voranschritt, wurde mir klar, dass mir Julian aus dem Weg ging. Während ich Marie in der Küche half, begleitete er meinen Onkel hinaus in die Weinberge, und als ich sie am frühen Nachmittag dort aufstöberte, weil mir langweilig war und ich gerne wieder mit Alberts Bodenscanner spielen wollte, machte sich Julian umgehend aus dem Staub. Von Weitem sah ich, wie er mit hängenden Schultern und den Händen in den Hosentaschen zurück zum Haus wanderte.
    Kleine Nadeln stachen mir permanent ins Herz, wenn ich an ihn dachte, und mit jeder Stunde, die wir nicht zusammen verbrachten, fühlte sich mein Magen flauer und leerer an. Die Schmetterlinge der letzten paar Tage hatten sich wohl ein anderes Zuhause gesucht. An diesem Abend ging ich zum ersten Mal ins Bett, ohne dass Julian mir eine gute Nacht gewünscht hatte.
    Doch das Ganze hatte wohl auch etwas Gutes. Meine Mutter hielt sich ebenfalls von mir fern. Das ganze restliche Wochenende hatte sie nicht einmal versucht mit mir zu reden und schlich auch nicht wie sonst immer um mich herum. Ich versuchte mich zumindest darüber zu freuen.
    Als die neue Woche begann, gab ich mein Bestes in den Weinbergen. Ohne Julian war es zwar todlangweilig auf dem Feld, doch ich fand bald eine Ablenkung in Gesprächen mit Valentine. Sie begannen Dienstagnachmittag und wurden schnell zu meinem Highlight des Tages. Zusammen mit Marie knieten wir am Boden und gruben die Erde um die Wurzelstöcke um. Valentine schwätzte ununterbrochen auf Französisch und meine Tante gab hin und wieder ihren Senf dazu. Irgendwann stand meine Tante auf und ging rüber zu Albert, der ihre Hilfe benötigte. Der quasselnde Teekessel hatte davon nichts mitbekommen.
    Hilflos blickte ich hinter Marie her, während Valentine ihren französischen Monolog fortsetzte. Es dauerte ganze fünf Minuten, bis sie endlich bemerkte, dass ihr gar keiner mehr antwortete. Verwundert blickte sie nach allen Seiten. Plötzlich fasste sie mich ins Visier und das glückliche Lächeln einer Farmersfrau schlüpfte auf ihre Lippen.
    Zu meiner völligen Überraschung kehrte sie dann einfach zu ihrer Arbeit zurück und erzählte weiter, als verstünde ich auch nur ein Wort von dem, was sie sagte. Aus Langeweile und vielleicht auch, weil ich nett zu dem Teekessel sein wollte, begann ich nach einiger Zeit ihre kurzen Atempausen mit Ahas und einem gelegentlichen Ach wirklich? zu füllen. Doch sie verstand mich bestimmt genauso wenig wie ich sie.
    Als sie dann irgendwann aufhörte zu schnattern, kam mir die Stille richtig komisch vor. Also dachte ich mir, was soll’s, und begann von London und dem Jugendheim zu erzählen. Ich ließ nichts aus. Weder wie ich Quinn kennengelernt hatte, noch den Tag, an dem uns

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