Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
beachten, unterstützt und belohnt sie dagegen.
In der Untersuchung über die Sanierung des Geländes in Santa Giulia kamen bekannte Namen der lombardischen Unternehmerschaft ins Spiel. Die Vorwürfe ihnen gegenüber reichen von der Verseuchung von Trinkwasser über illegale Müllentsorgung bis hin zur illegalen Müllbehandlung. Zu den Genannten zählt auch die Ehefrau von Giancarlo Abelli, Rosanna Garimboldi, die im Oktober 2010 verstarb. Aus der Untersuchung ging jedoch noch ein zweiter Ermittlungsstrang hervor. Unter den Beschuldigten war hier der Ex-Präsident der Provinz Mailand, Penati. Der starke Mann der Demokratischen Partei in der Lombardei. Man sprach von Bestechung und illegaler Parteienfinanzierung. Tatvorwürfe, die erst noch erhärtet werden müssen, aber im Ex-Stalingrad von Italien kehren die Gespenster des Schmiergeldskandals wieder, die einst als
Tangentopoli
Bekanntheit erlangten.
Die Mafien haben keine Skrupel, die Landschaften zu verseuchen, in denen ihre Verwandten, Kinder oder Neffen leben. Und erst recht nicht zerbricht sie sich den Kopf darüber, welche Schäden sie in der Region angerichtet hat, in die sie ausgewandert ist und die sie nur als auszusaugenden Knochen wahrnimmt. In ihrem Bericht zur Operation »Tenacia«, die den Komplex
Perego
-’Ndrangheta betraf, beschrieben die Staatsanwälte aus Mailand den Mechanismus auf folgende Weise: »Es handelt sich um eine rein ökonomisch vorgehende Denkweise, die die ’Ndrangheta dazu bringt, das Gelände zu verseuchen. Die Mafiosi verlangen keine überhöhten Preise. Den Clans sind die üblichen Preisniveaus bekannt. Sie bleiben innerhalb der Marktgesetze. Würden sie überhöhte Preise verlangen, würden sie keine Aufträge für die Firma bekommen, in deren Besitz sie sich gebracht hatten oder die sie zu kaufen beabsichtigten. Dann gäbe es auch keine Subaufträge mehr zu verteilen. Das System würde nicht mehr funktionieren. Als er es endlich in die
Perego
geschafft hatte, betonte Strangio gegenüber anderen Mafiosi mehrfach, dass seine Rolle darin bestehe, die Interessen der Firma zu wahren.«
Die Lösung, die regelmäßig zur Anwendung gebracht wurde, um die Angelegenheit gewinnträchtiger zu machen, war es, alle Regeln zu missachten, die gesetzlich für den Transport und die Entsorgung von Giftmüll vorgeschrieben sind. Abbruchmaterial wurde zerkleinert und vermischt und schließlich auf wilden Müllkippen abgeladen, statt wie vorgeschrieben sortiert und entsorgt. »Wo die Lkws der ’Ndrangheta eingesetzt werden, kann man also mit Fug und Recht sagen, dass Umweltstraftaten und Beherrschung des Transportmarktes immer einhergehen.«
Im Bericht zur Operation »Tenacia« vom Juli 2010 heißt es dazu: »Im Fall
Perego
war das nicht anders. Hier ist noch ein Strafverfahren wegen Umweltverschmutzung anhängig. In extremer Weise kommt hier alles zusammen. Es geht um nicht weniger als um die illegale Entsorgung von über zwei Millionen Kilogramm Abfall, mit einer weitaus höheren Fahrleistung als normal – einige Fahrer scheinen bis zu vier Fahrten pro Tag von bis zu 85 Kilometern oftmals mit unbekanntem Ziel gemacht zu haben. Auf der Baustelle in Bellinzona haben die Untersuchungen ergeben, dass hier beispielsweise illegal Asbest entsorgt wurde.«
Das ’Ndrangheta-System hat auch bei anderen öffentlichen Ausschreibungen funktioniert. Etwa bei der Erweiterung der Autobahn A4 um eine vierte Fahrspur pro Fahrtrichtung und beim Hochgeschwindigkeits-Zugnetz Mailand-Venedig. Solche enormen Bauvorhaben zogen die gefräßigen Bagger der ’Ndrangheta an. Subaufträge, illegale Giftmüllbeseitigung, Einschüchterungen. Die Mittel sind immer dieselben, auch das Resultat ist immer dasselbe, wie schon die Untersuchungen ergaben, die das vom Barbaro-Papalia-Clan durchgedrückte System zum Gegenstand hatten. Es ist das Hauptmerkmal der ’Ndrangheta-Ableger in der Lombardei, deren integraler Bestandteil der Parparo-Clan ist.
Die Anti-Mafia-Bestimmungen zu umgehen, ist für die Clans kein Problem. Ihnen wird von Fachleuten und von Unternehmern dabei geholfen. Wenn diese Unternehmer die Aufträge bekommen, dann ist der gesamte Schutzmechanismus gegen die Mafia eine leicht zu überwindende Formalität. Es kommt zu Absprachen, die aus den Erdarbeiten eine exklusive Domäne der ’Ndrangheta machen. In den Verträgen, in den Ausführungsbestimmungen der Bauvorhaben, auf den Baustellen, in der Betonzulieferung, sind die Erdarbeiten die am
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