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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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weiterer »Friedhof« für Giftmüll entstand in Santa Giulia. In diesem südöstlich gelegenen Ortsteil von Mailand galt es, ein Gelände zu sanieren, auf dem sich früher eine chemische Fabrik der Firma des DDT-Produzenten
Montedison
befand. Der Staatsanwaltschaft von Mailand zufolge könnte es sogar sein, dass sich die zu beseitigenden Giftstoffe noch heute an Ort und Stelle befinden. Unter den bereits realisierten und von ihren Bewohnern bezogenen Wohnhäusern oder unter den Rohbauten derjenigen, die gerade noch errichtet werden, würden Giftstoffe, Schlämme, Material schlimmster Sorte liegen. Dorthin gebracht hat sie mit ihren Lkws der unternehmerische Ableger der ’Ndrangheta in der Lombardei.
    Die Bestätigungen hierfür kommen auch von einigen ehemaligen Angestellten der
Perego Strade
, dem Unternehmen, das Mafia-Boss Salvatore Strangio aus Natile (Kalabrien) als Pate leitete. Ein stiller und heimlicher Teilhaber im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Skalengewinnmaschine wie aus dem Lehrbuch, die sich Strangio da zurechtgezimmert hatte. »Ich kann sagen«, so der Angestellte gegenüber der Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft von Mailand, »dass im Lauf der Jahre für die Auffüllung von Baugruben giftigste Materialien wie Eternit, Asbest, Abbruchmaterial unklarer Herkunft verwendet wurden. Unklare Herkunft bedeutet, dass die Stoffe mit unterschiedlichsten Altlasten verseucht waren, also auch solchen die gesundheitsgefährdend sind. Sie wurden nie kontrolliert.«
    Als Beispiel gab er an: »Während der Erneuerung der Bahnstrecke Arluno-Usmate [bei Mailand] wurde der alte Bahndamm abgetragen. Die Bahnschwellen wurden aufeinander gestapelt, sollten zu Sägemehl verarbeitet werden. Das wurde jedoch nie gemacht. Stattdessen wurden sie verladen und an eine andere Stelle gebracht. Irgendwo an der Bahnlinie wurden sie vergraben. Es war klar, dass dieses Material sehr giftig ist, weil es Asbest enthielt, das von den Zugbremsen stammte.«
    Ein weiterer Angestellter erzählte: »Mit demselben Formular wurden pro Tag mehrere Fuhren gemacht. Etwa vier bis fünf. Es gab Tage, an denen der Transport des Abbruchmaterials ganz ohne Formular erfolgte, nur mit den nicht nummerierten Lieferscheinen für den internen Gebrauch. Die Vorgaben wechselten von Tag zu Tag und wurden uns nur kurzfristig angekündigt, am frühen Morgen zum Beispiel, so um fünf oder halb sechs, wenn wir uns alle im Büro der
Perego
trafen. Falls uns die Polizei anhalte, sagte man uns, müssten wir in das Formular – ohne uns von den Beamten dabei erwischen zu lassen – die Uhrzeit der Abfahrt eintragen. Für den Schutt-Transport, der ebenfalls ohne Formular durchgeführt werden sollte, wurde auf die Ladung eine dünne Schicht Erde aufgetragen. Falls wir in eine Polizeikontrolle gerieten, sollten wir sagen, dass wir Aushub transportierten.
    Den Schutt-Transport ohne Formular oder mit demselben Formular wie einige Transporte zuvor rechtfertigte Ivano Perego mit dem Umstand, dass man mit dem Ausfüllen der Vordrucke keine Zeit auf der Baustelle verlieren wolle und dass das Büro sie nachträglich ausfüllen würde. Ich erinnere mich, dass ich einmal ins Büro gerufen wurde, um mich dem Vermessungsingenieur Paolo Sala vorzustellen. Dieser verlangte von mir, ungefähr zehn leere Formulare zu unterschreiben, die sich allesamt – wie mir Sala sagte – auf Baustellen bezogen, auf denen wir einige Monate zuvor gearbeitet hatten. Als ich fragte, warum ich diese unterschreiben solle, wurde mir gesagt, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche und dass sie mit der Berechnung der zurückgelegten Fahrten zusammenhingen. Das erlebten auch andere Fahrer. Es wurde uns befohlen, so viel wie möglich auf den Lkw zu packen, auch über die maximale Zuladungslast hinaus. Und wenn sich jemand beschwerte, kam Ivano Perego am nächsten Morgen und schrie herum. Dass wir uns alle zum Teufel scheren könnten, wenn wir uns nicht an seine Anordnungen hielten. Schließlich sei er es, der uns bezahle. Bußgelder mussten wir nicht selbst bezahlen, die wurden von der Firma übernommen, und für die Punkte im Führerschein wurden kollektive Abbau-Kurse angeboten.«
    Unternehmer im Dienst der illegalen Ökonomie und Arbeiter, die ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, erlauben es den Mafien, ihre Ziele zu erreichen. Arbeiter, die nicht bereit sind, die internen Regeln zu respektieren, setzen die mafiösen Unternehmer einfach vor die Tür. Arbeiter, die den Kodex der ’Ndrangheta

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