Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Also die »gute« Gesellschaft. Darüber hinaus haben sie Hotels und Parkhäuser als logistische Basen in ihren Besitz gebracht.
Jedenfalls scheinen sie nicht erst seit gestern im Hauptort der Emilia-Romagna angekommen zu sein. Ihre kokainabhängigen Kunden zeigen Respekt und Dankbarkeit. Die Bosse bieten gute Qualität und gelten als »die besseren«, wenn es darum geht, es zu vermeiden, Spuren zu hinterlassen, die die Drogenfahndung misstrauisch machen könnten. »Mir brachten sie jede Menge Kilos, aber jetzt sind die Kalabresen verschwunden. Man hat ihre Bosse verhaftet, die aus San Luca. Das ist das Mafia-Dorf. Sie sind dort große Nummern.«
Kokain und Pizza, das sind die Spezialitäten der Clans aus San Luca. Wie in Deutschland, so auch in Bologna. Sie bewegen sich entlang ihrer bevorzugten ökonomischen Stoßrichtung. Unter von der Polizei dokumentierten Reisen der Clan-Drogenhändler Pizzata und Martè waren auch auffällige viele ins Valle d’Aosta. Reine Vergnügungstrips? Oder Dienstreisen, um neue Kokainpartien von Giuseppe Nirta zu übernehmen, der mittlerweile angeblich seine Zelte in diesen Alpentälern aufgeschlagen hat. Das war eine der Fragestellungen, die der Operation »Minotauro« zugrunde lagen. Aber weder diese noch die Folgeoperation »Marte« brachten darauf eindeutige Antworten.
Eine einzige Pizzeria reicht den Männern aus San Luca natürlich nicht aus. Antonio und Pasquale Marte aus San Luca wollen eine ganz für sich allein, und beschließen, einfach eine aufzumachen. Außerhalb von Bologna, in San Lazzaro di Savena. Um das neue Projekt auf den Weg zu bringen, führen sie mit einer »befreundeten« Steuerberaterin aus Bologna Gespräche. Sie gehört zum Netzwerk, das die ’Ndrangheta umgibt und sie mit weiten Bereichen der Gesellschaft verbindet. Die Brüder sind auch an einem Zigarettenladen im Zentrum von Bologna interessiert. Dessen bisherige Besitzer sind Stammkunden von ihnen. Clans aus San Luca haben im Zentrum von Bologna ansonsten hauptsächlich in Einzelhandelsgeschäfte und Gastronomiebetriebe investiert. Und so die Bar von Giuseppe Giampaolo erworben, der von den Ermittlern in Bologna für ein Mitglied des gleichnamigen ’Ndrangheta-Clans gehalten wird. Drogenbeschaffer Antonio Martè hielt sich dort des Öfteren auf.
Gaststätten und Cafés der Clans aus San Luca siedeln sich auch gern im Umfeld der Universität Bologna an, deren Akademiker eine zahlenkräftige, wohlerzogene, wohlhabende, wissensdurstige Kundschaft darstellen, eine ebenso unverdächtige wie kosmopolitische Kundschaft, die sich vom Bologneser Ableger der Romeo- und Giampaolo-Clans verpflegen ließ. Studenten, Arbeiter, Verkäufer, Angestellte, Selbständige, dazu Chirurgen, Chefärzte, Kabarettisten, Schauspieler und Teilhaber angesagter Clubs des lebhaften Nachtlebens von Bologna. Die nur ausnahmsweise ins Visier der Polizei geraten.
Pech hatte Raffaele Giunta, für den die Anti-Mafia-Behörde von Bologna einen Haftbefehl beantragte. Giunta war Arzt am Krankenhaus
Sant’Orsola
im Bereich der allgemeinen und der Transplantations-Chirurgie. Der Ermittlungsrichter lehnte zwar den Haftbefehl ab, aber aus den Unterlagen erschließt sich ein beunruhigendes Bild. »Tu mir doch diesen Gefallen, ich muss die ganze Nacht operieren«, schrieb Giunta an Alessandra Baretta, eine Kundin der beiden Mafia-Drogenhändler Pizzata und Martè. »Ich bin todmüde, seit heute früh bin ich hier, und wir müssen noch die ganze Nacht operieren. Ich hab noch zweihundert Notfälle vor mir, verstehst du?«, drängelte der Mediziner.
Noch beredter in Sachen Abhängigkeit ist das, was ein Freund von Baretta in einem abgehörten Gespräch sagte: »Gerade haben sie einen [Kurier] geschnappt, der aus Kolumbien kam, bei dem ist ein Beutel im Bauch geplatzt.« Und fügt hinzu: »Giunta hat ihn operiert und zwei der Kokain-Eier eingesteckt, eins für sich und eins für seinen Chefarzt. Die übrigen hat die Polizei mitgenommen.« Der Diebstahl war umsonst, wie die Beschuldigten erklärten, weil das Kokain von unterirdischer Qualität, fast ungenießbar war. Obwohl das »Paket« direkt aus Kolumbien stammte. Sogar ein Gerichtsmediziner, der als Berater für die Staatsanwaltschaft arbeitet, soll zu den Abnehmern des Kokains gehören.
Den Behörden ins Netz ging auch Natale Surace, geboren in Bagnara Calabra (Kalabrien), der aber schon seit Jahren in der Emilia-Romagna lebt. Er arbeitet als Technik- und Logistik-Referent der Universität
Weitere Kostenlose Bücher