Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
öffentlich-rechtlichen Gesellschaft für Kommunaldienstleistungen, deren Mehrheitsbeteiligung von der Gemeinde Leini gehalten wird.
Wo es den Clans nicht gelingt, eigene Firmen auf Baustellen einzuschleusen, holen sie sich mit Erpressung ihren Anteil. So passierte es einem ehrlichen Bauunternehmer, der keine Subaufträge an Mafia-Firmen vergeben wollte. Antonio Sinisgalli hatte eine Ausschreibung der Gemeinde Nole (nördlich von Turin) gewonnen. Die Gruppe um Argirò, die von der Ausschreibung Wind bekommen hatten, ließ Sinisgalli durch den Architekten Bartesaghi ausrichten, dass sie einen Subauftrag von ihm erwarten. Und zwar nicht irgendeinen, sondern die lukrativen Ausschachtungsarbeiten im Flussbett des Stura-Flusses. Aber Sinisgalli lehnt ab. Die Arbeiten vergibt er an eine andere Firma. Eine Schmach für die Bosse, die den Sinisgalli daraufhin in das Büro eines befreundeten Unternehmers bestellen. Ihm werden zwei Möglichkeiten angeboten: Die Vergabe eines Subauftrags an eine Mafia-Firma oder Zahlung von 20.000 bis 50.000 Euro in Cash.
Sinisgalli fährt von diesem Treffen direkt zur Polizei, erstattet Anzeige und identifiziert die Erpresser anhand von Fotos. Sinisgalli ist ein mutiger Mann. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, die die angebotenen »Kompromisse« der piemontesischen ’Ndrangheta-Clans stillschweigend akzeptieren. Einer ’Ndrangheta, die nach und nach in alle Geschäftsbereiche vorstößt, legale und illegale. Von der Bauwirtschaft bis zu den Spielhöllen. Privatclubs, die einfach eröffnet werden, wofür nur eine kurze Mitteilung an die Gemeinde notwendig ist. Es müssen hierfür auch keine Lizenzen oder Bescheide beigebracht werden. Faktisch handelt es sich um Automatenspielhallen, illegale Spielcasinos. Orte, an denen junge wie alte Spielsüchtige ausgenommen werden. Der Club
Pivello Sportivo
und der Club
Circolo Giuseppe Cesare Abba
in Turin, in der Via Maddalene, sind zwei dieser illegalen Spielhöllen der ’Ndrangheta in Piemont.
Dabei wird die unternehmerische Methode, die spezifische Rollenverteilung auch im Wettgeschäft eingehalten: Geführt werden die diversen Privatclubs von Angehörigen der Mafia-Zellen vor Ort. Die Profite werden unter den beteiligten Zellen aufgeteilt. Neben der Zelle, die eine bestimmte Unternehmung starten möchte, ist noch die Beteiligung der Zelle notwendig, auf deren Territorium die Einrichtung liegt. Aber natürlich ist auch die Zustimmung des obersten regionalen Koordinationskomitees, des
Crimine
der jeweiligen Region, einzuholen. Ein Teil der Einnahmen wird den Angehörigen inhaftierter Clan-Mitglieder überwiesen, unabhängig davon, welcher Zelle diese angehören (also eine Art Umlage, die alle ’Ndrangheta-Zellen bezahlen).
Es wird intensiv gespielt in den Spielhöllen der ’Ndrangheta, vor allem »Texas Poker«. Hierzu heißt es im offiziellen Statut des
Pivello
-Clubs: »Freizeitaktivität ohne Gewinnerzielungsabsicht. Beabsichtigt wird dagegen, Laiensportaktivitäten zu praktizieren und zu bewerben (Turniere, Wettkämpfe, Meisterschaften), sowie interne Ausbildungs- und Fortbildungsgänge.« »Texas Poker« untersteht dem Crea-Clan in Turin. Um es in der Spielhölle von Leini anbieten zu können, muss Gioffrè um die Erlaubnis von Boss Crea bitten, mit dem er dann auch die Einnahmen teilen muss. »Er wollte sechzig Prozent. Ich hab zu ihm gesagt, Freundchen, was machen wir jetzt, wir alle müssen essen. Lass uns den Vertrag abschließen. Wir haben hier fünfzig Prozent der Einnahmen einbehalten. Mit anderen läuft es auch so, dass die fünfzig Prozent behalten. Also haben wir uns auf fünfzig geeinigt.« So lässt sich die Vereinbarung im Kern zusammenfassen.
Angesichts der Tatsache, dass Leini der Jurisdiktion der Mafia-Zelle von Volpiano untersteht, geht ein Teil der Einnahmen an den Agresta-Clan, dem dieses Territorium untersteht. Aber Neid sorgt für Streit. Die monatlichen Einnahmen übersteigen 50.000 Euro netto für jede aktive Spielhölle. Ein Profit, der vielen Appetit macht. »Das ist nunmal unser Gebiet, und daher müssen wir künftig alle anderen in aller Höflichkeit zurückweisen«, ließ der Agresta-Clan Gioffrè wissen. Die Spannungen steigen jedoch auch im Hinblick auf den Crea-Clan. Dessen Vertreter fordern, an den Einnahmen des Clubs von Gioffrè beteiligt zu werden, ihrerseits teilen sie aber keine Einnahmen. Eine Zeitbombe, die jederzeit explodieren kann.
Vermutlich stecken diese Spannungen hinter dem
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