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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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das Clan-Oberhaupt »aus den Bergen«, ist der Onkel von Sonia Suraci, der Ehefrau von Libri.
    Musolino gilt als eine der charismatischen Führerfiguren der ’Ndrangheta. Er gehört zum Serraino-Clan aus Reggio di Calabria. Und es ist seinem Charisma und seiner Autorität als Krimineller zu verdanken, dass es unter seiner Oberherrschaft im dortigen Gebiet nie zu mafiainternen Auseinandersetzungen oder Umsturzversuchen gekommen ist. Bis zum 23. Juli 2008. An diesem Tag wird Musolino in einer klassischen Mafia-Verschwörung ermordet. Carlo Chiriaco, Jahrgang 1950, geboren ebenfalls in Reggio di Calabria, und Pasquale Libri unterhalten sich darüber in einem während der Operation »Crimine« abgehörten Gespräch. Sie kommentieren aus einer Entfernung von über tausend Kilometern das Geschehen. »Haben sie auf ihn geschossen?«, fragt Chiriaco. Libri antwortet: »Ja, sie haben ihn am Arm getroffen. Er war nichtsahnend im Auto unterwegs.« Daraufhin der Direktor der Gesundheitsbehörde von Pavia: »Verdammt, haben sie ihn mit ’ner Schrotflinte umgelegt?« – »Mit ’ner
Lupara
«, bekräftigt die Stimme am anderen Ende der Leitung, die von den Ermittlern als Pasquale Libri identifiziert wurde. »Bei Santo Stefano haben sie auf ihn geschossen (…). Was das Problem war? Dass es alle von den Serrainos wussten.« Chiriaco will es jetzt genauer wissen: »Aber gehörte er denn zu Serraino?« – »Scheiße, und ob er dazugehörte, und zwar bis heute.« – »Und es gab keine Reaktion darauf? Haben sie niemanden verhaftet deswegen? Wurde niemand anderes umgebracht?« Libri erklärt seinem Freund, dass es noch keine Reaktion vonseiten der Clans gibt, »aber die Staatsanwälte haben sich beschissen verhalten, die haben alles beschlagnahmt, was ihm gehörte (…) präventiv, das machen die sonst nie.«
    Das sind Reaktionsweisen, die man nur verstehen kann, wenn man die ’Ndrangheta kennt, ihre typischen Reaktionsweisen, die Hunderte von Kilometern entfernt von Kalabrien spürbar werden. Vom Dorf Santo Stefano im Aspromonte bis ins oberitalienische Pavia verbreitet sich die Nachricht vom vergossenen Blut des Paten schnell innerhalb der Mafia-Strukturen. Die Verwandten von Pasquale sind keine kleinen Nummern in der Mafia-Hierarchie. Er selbst ist als Abteilungsleiter für die Auftragsvergaben am
San-Paolo
-Krankenhaus in Mailand zuständig. Mit seinem Kollegen Chiriaco unterhält er sich oft über die ’Ndrangheta. Dann erinnern sie sich an vergangene Zeiten, als sie noch selbst an der Macht waren, als sie in der Mafia etwas galten. Sie scherzen miteinander, »und jetzt sind wir zu kleinen Gesundheitsbeamten geschrumpft«. Sie bilden eine verschworene Gemeinschaft und sehen sich oft.
    Pavia ist eine kleine, gemütliche Stadt, die hinter ihrem glänzenden Äußeren jedoch eine geheime Macht beherbergt, welche auf heimtückische Weise die legale Macht infiltriert. Wirtschaft, Politik, Gesundheitswesen. Die ’Ndrangheta wächst still und heimlich heran, sie kreist die Beute auf Zehenspitzen ein, um dann brutal zuzupacken. Aus den Abwasserrohren unter den prächtigen Palästen der Macht kriechen »Beauftragte« mit ehrlichem Gesicht. Wichtige Verbindungspersonen, die beide Welten zusammenbringen. Zusammen bilden ’Ndrangheta und die legalen Institutionen ein »System«.
    Pasquale und Carlo. Sie sind Freunde, bekleiden bedeutungsvolle Posten innerhalb des Gesundheitswesens in der Lombardei. Pasquale denkt an seinen inhaftierten Vertrauten. An die Wahllokale. An die Geschäfte, die sie zusammen angeschoben haben. Wie jenes, das er ihm gegenüber bereits ein Jahr zuvor angedeutet hatte. Rocco Musolino musste damals eine größere Geldsumme als Investment unterbringen. Pasquale sprach mit Chiriaco darüber, der ihm empfahl, zu bauen und dann wieder zu verkaufen. Der Ziegelstein als Zinsgarant. »Das Kapital dazu hat er. Ihm gehören Häuser in Rom und in Mailand, in New York und in Paris.« Als Libri seinem Freund die Absichten des investitionsgestimmten Onkels erläuterte, erwiderte Chiriaco: »Viel besser wäre ein einziges Investment zu 15 Millionen Euro, am besten er kauft ’ne ganze Häusersiedlung.« Libri gab Chiriacos Rat weiter.
    Aber nach der Verhaftung seines Freundes Carlo befällt ihn die Angst. Mit den Geheimnissen, von denen der Freund weiß, könnte dieser ganze Bücher füllen. Ganz zu schweigen davon, was er mit Geständnissen für sich rausholen könnte. Pasquale ist verwirrt. Die ’Ndrangheta-Orthodoxie

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