Mafia Princess
USA ein.
Über den Mafiakrieg in Kalabrien wusste ich anfangs wenig, bis Bruno und ich eines Tages gebeten wurden, Onkel Domenico zu beliefern. Bei dem Konflikt ging es, wie immer, um Macht. Bruno erzählte mir auf der Fahrt davon.
Die Brüder De Stefano, Paolo und Giorgio, waren in den 70-ern auf den Plan getreten. Sie fingen klein an, bekannt wurden sie erst, als sie in Modena einen Mann töteten, weil er sie bei einem Geschäft betrogen hatte, bei dem es um vier Ochsen ging. Die De Stefanos stiegen schnell auf. Einer ihrer Helfershelfer war ihr Unterboss Pasquale Condello, der 1974 einer der Mörder von Antonio »Onkel Toni« Macri war. Macri organisierte nicht nur die Mafia in Kalabrien, sondern arbeitete mit legendären amerikanischen Mafiosi wie Frank Costello zusammen, um Leute aus Kalabrien für die amerikanische und kanadische Mafia zu rekrutieren. Sein Tod bedeutete Ärger. Über dreihundert Menschen starben in dem zwei Jahre dauernden Bandenkrieg, der bekannt wurde als der erste ’Ndrangheta-Krieg. Die De Stefanos gingen als eine der mächtigsten Fraktionen in Reggio di Calabria daraus hervor.
Neun Jahre später, im Jahr 1983, begann der zweite ’Ndrangheta-Krieg, als Pasquale Condellos Schwester Giuseppina Antonio Imerti heiratete, einen Führer einer örtlichen ’ndrina [Familie]. Die Imerti-Condello-Verbindung beunruhigte den Paten Paolo De Stefano, der sein Imperium in Gefahr sah. Er ergriff Vorsorgemaßnahmen und versuchte, Antonio Imerti töten zu lassen.
Die Autobombe brachte Imerti aber nicht um. Der Rachefeldzug dagegen war erfolgreicher, und Paolo starb, von Hochgeschwindigkeitsgeschossen durchsiebt. Großmutters Familie, die Serrainos, schlossen sich dem Imerti-Condello-Clan an. Die ganze ’ndrina, sämtliche Verbrecherfamilien in Reggio di Calabria, war entweder auf der einen oder auf der anderen Seite. In jeder Ecke, in jedem Schatten konnte sich ein gedungener Mörder verbergen. Immer, wenn ein Fahrer einen Wagen anließ, konnte eine Bombe explodieren. Ganz gleich, wie viele Vorsichtsmaßnahmen ergriffen und wie viele Leibwächter engagiert wurden, die Morde hörten nicht auf.
Mein Onkel Domenico schloss sich Pasquale Condello an, und die De Stefanos erhielten Schützenhilfe von der mächtigen Familie Tegano. Es war ein lang andauernder Machtkampf. Unser Verbündeter Condello war ein skrupelloser Gegner (verurteilt zu viermal lebenslänglich wegen Mordes, Verbindung zur Mafia, Erpressung, Geldwäsche und Drogenhandels), und er war auf der Flucht. Zu den Anklagepunkten gegen ihn zählte die Ermordung von Lodovico Ligato im Jahr 1987; Ligato war einmal Chef der italienischen staatlichen Eisenbahn gewesen. So hatte Onkel Domenico meistens die Befehlsgewalt. Sein direkter Gegenspieler war Domenico Libri. Die Familien verfuhren mit den Morden nach dem Prinzip »Wie du mir, so ich dir«, und zwischen 1987 und 1991 forderten die Auseinandersetzungen zahlreiche Menschenleben auf beiden Seiten.
Meinen Patenonkel Demitri Serraino erschossen sie mit einer Pistole Kaliber 7.63, als er auf einem Stuhl bei seinem Lieblingsfriseur auf eine Nassrasur wartete.
Dann zerfetzte ein Sprenggeschoss aus einem Präzisionsgewehr den Kopf des Cousins meines Vaters, seinem compari Santo Nicola, als er auf dem Weg zur Bäckerei das Haus verließ. Er selbst hatte sich ausgeklügelte Bombenangriffe gegen unsere Feinde einfallen lassen, aber seine eigenen Vorsichtsmaßnahmen konnten ihn nicht retten.
Onkel Francesco wurde mit einer Automatikwaffe niedergeschossen, als er in seinem Café-Restaurant Wein servierte. Er war nicht einmal Soldat; er wurde ermordet, bloß weil er unserer Familie nahestand. Dafür hatten sie ihm die Eingeweide aus dem Leib gerissen, mit drei Gewehrsalven in den Magen und zwei in den Brustkorb. Er war nur ein weiteres Opfer meiner Familie innerhalb dieses blutigen Krieges.
Bald darauf wurde auch der Mann getötet, der diesen Mord in Auftrag gegeben hatte. Dasselbe Gewehr Kaliber 30 mit Zielfernrohr, das man für den Mord an Santo Nicola benutzt hatte, wurde mit Schalldämpfer versehen, und damit wurde Pasquale Libri erschossen. Libri saß damals hinter Gittern, erteilte aus dem Gefängnis heraus Befehle, doch dass er sich in Schutzhaft befand, rettete ihn nicht, als er am 18. September 1988 Ausgang auf dem Gefängnishof hatte. Von einem hohen Gebäude außerhalb der Gefängnismauern traf ihn der Schütze mit einem spiralförmig gefurchten Sprenggeschoss mitten in die Stirn.
Dieser
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