Mafiatochter
schließlich nicht sein Fehler. Erst später begriff ich, dass man unserer Familie die Aufnahme deshalb verweigerte, weil der Club etwas gegen Gangster hatte.
1985 wurde Papa verhaftet. Wir waren gerade drüben bei Tante Fran, als wir die Nachricht erfuhren. Die Bundespolizei war in sein Büro in Gravesend eingedrungen und hatte sowohl ihn als auch Onkel Eddie in Gewahrsam genommen.
Die Polizei hatte drei Jahre lang versucht, Papa zu verhaften, seit dem Mord an Fiala. Den konnten sie ihm jedoch nicht anhängen. Selbst, als die Polizei ziemlich sicher war, dass Papa etwas damit zu tun hatte, gelang es den Kriminalbeamten nicht, ausreichendes Beweismaterial zu beschaffen, also verlief die Untersuchung im Sand. Alle in der Nachbarschaft wussten, was geschehen war, aber niemand plauderte jemals etwas über meinen Vater aus.
Die Bullen konnten ihn nicht dingfest machen, wohl aber die Bundespolizei. Sie verhafteten ihn und meinen Onkel wegen Geldwäsche und Steuerflucht im Zusammenhang mit dem Verkauf der Plaza Suite. Im Rahmen der Untersuchung kam es sogar zu einer Hausdurchsuchung auf unserer Farm in New Jersey, die für uns so etwas wie das Paradies auf Erden war.
Bis zu diesem Zeitpunkt wussten unsere Nachbarn in Cream Ridge nicht sicher, wer Papa wirklich war. Gewiss, sie fanden ihn vielleicht ein wenig merkwürdig, aber sie hatten keine Ahnung davon, dass er dieser ehrgeizige Gangster namens Sammy the Bull war. Sie kannten ihn nur als »Sammy«.
Ich hegte den Verdacht, dass mein Vater eine Rolle bei Fialas Tod gespielt haben könnte. Trotzdem tat er mir leid. Er stand unter ungeheurem Stress, weil er von allen Seiten angegriffen wurde. Jahre später mussten wir die Farm in Cream Ridge verkaufen, um die dreihunderttausend Dollar zu begleichen, die Papa dem Finanzamt schuldete. Es mag verrückt klingen, aber als ich meinen Vater so aufgebracht sah, dachte ich tatsächlich, dass die Bullen die Bösen wären. Warum taten sie uns das an?
Einen Tag, bevor Papa erfuhr, dass er einer Strafe wegen Steuerflucht noch einmal entgehen würde, wurde sein bester Freund Stymie im Tali’s niedergeschossen, einer Bar, die ihm und meinem Vater gemeinsam gehörte. Eigentlich hätte Papa Grund zum Feiern gehabt, doch nun wurde alles vom Tod seines engsten Freundes überschattet. Der Colombo-Mitarbeiter, der ihn getötet hatte, war betrunken gewesen und hatte unter Drogen gestanden. Er hatte an jenem Abend seine baldige Aufnahme in die Mafia als »gemachter« Mann gefeiert. Stymie starb ehrenvoll, weil er die Bardame beschützte, die von dem Bastard belästigt wurde. Unsere gesamte Familie war erschüttert. Für uns gehörte Stymie zur Familie. Er und Papa hatten zusammen unser Haus auf Todt Hill umgebaut.
Ich ging zur Beerdigung. Es war seltsam, wie viele Leute dort meinem Vater kondolierten. Sie sagten: »Es tut mir leid, Sammy.« Warum zollten sie ausgerechnet ihm Respekt? Er ist doch nicht sein Bruder, dachte ich. Warum kamen alle zuerst zu meinem Vater, bevor sie Stymies Ehefrau kondolierten? In diesem Augenblick begann ich, die Dinge nüchtern zu sehen. Mein Vater war hier offensichtlich der Boss. Er war definitiv der Boss von allem hier. Als mein Vater »gemacht« wurde, bekam er seine eigenen Leute. Diese Leute waren wie unsere Familie. Wir fuhren sogar zusammen in die Ferien.
Stymie hatte Papa am nächsten gestanden, doch die gesamte Mannschaft trauerte, als er starb. Männer wie Louis Milito, »Old Man« Paruda und Thomas »Huck« Carbonaro waren allesamt untröstlich. Es war das einzige Mal, dass ich meinen Vater weinen sah. Ich sah ihn in der Küche, als er nach der Beerdigung herunterkam. Ich sah eine einzige Träne. Mehr nicht.
Im Dezember 1985 wurde Paul Castellano zusammen mit seinen Leibwächtern im New Yorker Sparks Steak House ermordet. Die Story war der Aufmacher in den Abendnachrichten. Ich war in meinem Zimmer und ließ den Fernseher, den ich zum Geburtstag bekommen hatte, eigentlich nur im Hintergrund laufen, als ich plötzlich aufmerksam wurde. Eine Fernsehsprecherin stand am Tatort auf der East 46th Street zwischen der Second und Third Avenue.
Ich erinnerte mich daran, wie ich Paul Castellano das erste Mal gesehen hatte. Ich hatte mich ins Fenster des Schlafzimmers meiner Tante Fran am Leggett Place gekauert. Papa schickte uns immer hinüber zu Tante Fran, wenn er ein Treffen ausrichtete, bei dem er uns nicht im Haus haben wollte. An jenem Abend saßen meine Mutter, mein Bruder und meine Tante zusammen
Weitere Kostenlose Bücher