Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden
»Nun komm schon!« befahl er gereizt. Carrie schlüpfte an ihm vorbei und wischte sich die Tränen von den Wangen. Greg folgte ihr. Als er die Tür schon schließen wollte, erinnerte er sich an etwas.
»Übrigens«, sagte er und lächelte die Frau an. »Ich würde an Ihrer Stelle die Polizei nicht benachrichtigen. Sie hätte nichts in der Hand, weswegen sie uns bestrafen könnte, selbst wenn sie uns fänden. Und natürlich würden wir Sie dann nicht anrufen – und Ihr Sohn müßte sterben.« Er schloß die Tür und ging auf den Wagen zu, das Bild der Frau noch deutlich vor Augen: wie sie benommen und zitternd in ihrem Wohnzimmer stand und ihnen mit gehetztem Blick nachsah. Greg stieß ein amüsiertes Lachen aus.
Die hatten sie sich geangelt.
Greg trank sein Glas aus und lehnte sich schwer auf die Sofalehne. Er zog eine Grimasse. Das war der letzte billige Whisky, den er je trinken würde; von jetzt an würde es ausschließlich der beste sein. Er wandte den Kopf und blickte Carrie an. Sie stand am Fenster ihres Hotelzimmers und starrte auf die Stadt hinunter. Worüber, zum Teufel, brütete sie denn nun schon wieder? Wahrscheinlich überlegte sie sich, wo das blaue Kabriolett im Augenblick war. Einen Augenblick lang mußte Greg selbst darüber nachdenken. Parkte es gerade? Fuhr es? Er grinste in sich hinein. Es gab ihm ein gewisses Machtgefühl, etwas über dieses Auto zu wissen, was selbst sein Eigentümer nicht einmal ahnte: nämlich, daß in acht Tagen, sechzehn Minuten nach zwei, an einem Donnerstagnachmittag, dieses Auto einen kleinen Jungen überfahren und ihn dabei töten würde.
Er war schon etwas angetrunken. Er konzentrierte sich und versuchte, seine Augen gerade auf Carrie zu richten. »Also gut, sag schon, was du hast«, forderte er. »Raus damit.«
Sie drehte sich um und blickte ihn flehend an. »Muß es denn so viel sein?« fragte sie.
Er wandte sein Gesicht von ihr ab und schloß die Augen.
»Greg, muß es –?«
»Ja!« Er zog wütend den Atem ein. O Gott, würde er froh sein, sie endlich loszuwerden!
»Und wenn sie nun nicht bezahlen können?«
»Das wäre Pech.«
Ihr unterdrücktes Schluchzen ließ ihn die Zähne zusammen beißen. »Geh hinein und leg dich hin«, sagte er.
»Aber Greg, er hat nicht die geringste Chance!«
Sein Gesicht verzerrte sich. »Und hatte er etwa eine bessere Chance, bevor wir kamen?« fuhr er sie an. »Gebrauche doch mal deinen Grips, verdammt noch mal! Wenn wir nicht wären, dann wäre er jetzt schon so gut wie tot!«
»Ja, aber –«
»Ich sagte, geh und leg dich hin!«
»Aber du hast nicht gesehen, wie es geschehen wird, Greg!«
Greg wurde von einem heftigen Schütteln gepackt und dem wilden Verlangen, die Whiskyflasche zu ergreifen, auf sie zuzuspringen und ihr die Flasche auf den Kopf zu schlagen. »Mach, daß du rauskommst!« murmelte er.
Sie taumelte durch den Raum, wobei sie eine Hand vor den Mund hielt. Die Schlafzimmertür fiel zu, und er hörte, wie sie sich laut schluchzend auf das Bett warf. Du verdammte heulende Hexe! Er biß die Zähne so stark aufeinander, bis seine Kiefer schmerzten, dann füllte er sein Glas von neuem mit Whisky und verzog das Gesicht, als er ihn hinunterschüttete. Es wird schon klappen, ermahnte er sich. Anscheinend hatten sie das Geld, und außerdem schien die Frau ihm geglaubt zu haben. Er nickte vor sich hin. Sie hatte angebissen. Zehntausend! Sein Paß für ein anderes Leben. Teure Kleidung. Ein Klasse-Hotel. Hübsche Frauen; vielleicht eine für ständig. Er nickte noch immer. Meine Zeit wird kommen, dachte er. Er griff gerade nach seinem Glas, als er aus dem Schlafzimmer die gedämpfte Stimme Carries hörte. Einen Augenblick lang schwebte seine Hand zwischen dem Sofa und dem Tisch. Dann sprang er auf die Füße und stürzte zur Schlafzimmertür. Er riß sie auf. Carrie fuhr her um. Sie hielt den Telefonhörer in der Hand, ihr Gesicht war vor Angst verzerrt. »Donnerstag, den vierzehnten!« stammelte sie in das Mundstück. »Sechzehn Minuten nach zwei, nachmittags!« Sie schrie auf, als Greg ihr den Hörer aus der Hand riß und mit der Faust auf die Gabel schlug, um die Verbindung zu unterbrechen.
Am ganzen Körper bebend, stand er vor ihr und starrte mit großen, von Wahnsinn erfüllten Augen in ihr Gesicht. Langsam hob Carrie den Arm, um sich vor dem erwarteten Schlag zu schützen. »Bitte, Greg, nicht –«, begann sie.
Die Wut machte ihn taub. Er hörte nicht das schwere, klatschende Geräusch, das der
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