Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden
Hörer verursachte, als er ihn mit aller Macht quer über ihr Gesicht schlug. Mit einem erstickten Aufschrei fiel Carrie zurück. »Du Kröte!« brüllte er. »Du verdammte Kröte! Du Kröte! Du Kröte!« Und er unterstrich jedes Wort mit einem neuen Schlag in ihr Gesicht. Er konnte sie auch nicht mehr deutlich sehen; hinter einem Schleier blinder Wut schien sie hin und her zu schwanken. Alles war aus! Sie hatte das Geschäft auffliegen lassen! Das große Geschäft – aus, vorbei! Verflucht! Ich werde dich töten! Er war nicht sicher, ob diese Worte nur seine Gedanken erfüllten oder ob er sie ihr entgegengeschleudert hatte. Plötzlich kam er zu sich. Er bemerkte den Telefonhörer in seiner verkrampften Hand; er sah Carrie, die mit offenem Mund und glasigen Augen auf dem Bett lag, das Gesicht mit Blut verschmiert. Er öffnete die Hand und hörte, als wäre es viele Meilen entfernt, wie der Hörer auf den Boden fiel. Entsetzt blickte er auf Carrie hinab. War sie tot? Er preßte das Ohr gegen ihre Brust und lauschte. Zuerst hörte er nur seinen eigenen Herzschlag, der ihm in den Ohren dröhnte. Dann, als er sich mit aller Kraft zusammenriß, hörte er, schwach und unregelmäßig, Carries Puls. Sie war nicht tot! Wild blickte er um sich.
Mit schlaffem Mund und trübem Blick sah sie zu ihm hoch. »Carrie?«
Keine Antwort. Lautlos bewegten sich ihre Lippen. Unentwegt starrte sie ihn an. »Was ist?« fragte er. Ihr Blick ließ ihn schaudern. »Was?«
»Straße«, flüsterte sie.
Greg beugte sich über sie und starrte in ihr zerfleischtes Gesicht. »Straße«, flüsterte sie. »... Nacht.« Ihr Atem ging stoßweise. Blut floß aus ihrem Mund. »Greg.« Sie versuchte, sich aufzurichten, aber es gelang ihr nicht. Auf ihrem Gesicht breitete sich der Ausdruck entsetzter Sorge aus. Sie flüsterte: »Mann ... Rasierklinge ... du – oh, nein!«
Greg fühlte, wie seine Glieder erstarrten und ihn eine eisige Kälte überfiel. Er umklammerte ihren Arm. »Wo?« stammelte er. Sie antwortete nicht, und seine Finger gruben sich noch tiefer in ihr Fleisch. »Wo?« fragte er. »Wann?« Er begann zu zittern. »Carrie! Wann?«
Aber er umklammerte den Arm einer toten Frau. Mit einem hilflosen Schrei riß er seine Hand los und starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an, unfähig, zu sprechen oder zu denken.
Dann, als er ein paar Schritte zurückwich, fiel sein Blick auf den Kalender an der Wand. Eines Tages, dachte er, wird meine Zeit kommen. Ganz plötzlich fing er an, gleichzeitig zu lachen und zu weinen, und bevor er floh, stand er eine Stunde lang am Fenster, starrte hinaus auf die Stadt und grübelte darüber nach, wer der Mann war, wo er sich in diesem Augenblick aufhielt und was er wohl gerade tat.
Woher kommst du?
Joanna Russ
Fanny Kemble, die tote Schauspielerin, sah der Engländerin sehr ähnlich, die jede Nacht in die amerikanische Bar in Rom kam und sich unter die Touristen mischte. Wenn man ihr begegnete, so war das immer, als schliefe man ein; niemals sah man sie hereinkommen. Der Besitzer hob den Kopf – und da stand sie schon und lauschte mit leicht zur Seite geneigtem Kopf den Gesprächen der Engländer; ihr Gesicht trug einen verträumten Ausdruck. Es wirkte immer so, als wäre sie schon zwanzig oder dreißig Minuten anwesend. Sie hielt sich nie lange bei einer Gruppe auf, sie lauschte, nickte ab und zu und spielte mit ihren blonden Haaren; immer trug sie dasselbe Kleid, im Sommer wie im Winter. Vielleicht hatte sie ihren Mantel bei dem Garderobenfräulein gelassen, das auch Engländerin war. Eines Abends hatte der Besitzer sie nach dem Namen gefragt.
»Jane«, hatte sie geantwortet, war ein wenig zurückgewichen und hatte gelächelt. Sie hatte die Angewohnheit, den Worten anderer von der Seite her zuzuhören. »Leben Sie ständig hier in Rom, Signorina Jane?« hatte er sie auf italienisch gefragt. Aber sie lächelte nur vor sich hin und schlang eine Locke um die Finger. »Lieben Sie Rom?« hatte er weiter gefragt, diesmal auf englisch. Sie nickte hastig.
»Ja, sehr«, antwortete sie. »Ich habe das Grab von Keats besucht – und die Museen – viele –«
»Auch die Kirchen?« drängte er. »Die wunderschönen Kirchen von Rom? Ihr Aufenthalt, Signorina, wäre nicht vollständig, wenn Sie nicht ein paar unserer berühmten Kirchen besucht hätten. Den Petersdom, zum Beispiel. Und wenn Sie überhaupt hier leben, dann wäre das noch viel schlimmer ...« Er warf einen Blick zur Seite zu einem
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