Magazine of Fantasy and Science Fiction 08 - Irrtum der Maschinen
begannen die Frachtraketen ihr Landemanöver. Und hinter den Frachtraketen zogen die Reklamesatelliten mit den aufdringlichen Werbeslogans ihre Bahn. Müde wandte sie sich ab und ging zurück in ihr Haus.
Katherine trat auf den Beschleunigungsgürtel, der aus dem Wohnbereich führte. Wohnbereich – sie lächelte. Als würde man nicht leben, wenn man ein Bad nahm oder schlief. In ständig wünschte sie plötzlich, daß Madge bei ihr wäre, um mit ihr zu plaudern. Dann runzelte sie nachdenklich die Stirn.
Wenn sie nicht wirklich die Erde verlassen konnte, auf der sie jedesmal, wenn sie auf die Straße ging, mit jemandem zusammenstieß, wenn sie nicht zu einem Park auf dem Mond konnte, wo niemals etwas Lebendes gediehen war, dann würde sie diese ganze Misere eben einfach für eine Weile ganz und gar verlassen. Sie würde jemand völlig anders in einem anderen Land sein, einem anderen Jahrhundert. Was wußte schon Madge davon, die nur immer in einer Zeit lebte.
Sie, Katherine, würde jetzt eine Dubarry-Kapsel nehmen. Sie würde drei Dubarrys nehmen und ... nein, drei, das wäre zuviel, eine Wochenration an einem Nachmittag!
Katherine betrachtete nachdenklich die Flaschen auf dem Regal im Arzneischrank. Zwei waren leer. Joyce! dachte sie erschreckt. Joyce hatte zwei Kapseln genommen, und sie hatte es nicht einmal bemerkt. Und es waren auch nicht nur die Dubarrys. Die ebenfalls sehr delikaten Lady Hamiltons waren auch weg. Das war für einen Teenager nicht gerade sehr bekömmlich. Aber zum Glück gewöhnte man sich nicht an sie. Jedenfalls stand das auf dem Aufkleber.
Auf alle Fälle mußte sie etwas unternehmen, und zwar schnell. Sie hätte als Mutter darauf achten sollen, daß Joyce mit Jungen ihres Alters zusammenkam. Aber was hätte sie tun sollen? Der kleine Ted war doch in letzter Zeit ständig krank gewesen.
Katherine ließ den Blick über die Flaschen gleiten, bis zu einer eckigen Florence-Nightingale-Flasche. Das war sicherlich nicht das Richtige in ihrer augenblicklichen Verfassung. Wenn sie ehrlich war, so hatte sie nie den Wunsch verspürt, Florence zu sein, die in überfüllten Krankenhäusern arbeitete. Wer würde das schon wollen? Ihr einziges Interesse läge möglicherweise darin – wenn sie Florence wäre –, die Unfähigen auszusuchen und auszumerzen. Einen Augenblick lang spielte sie mit diesem Gedanken. Vielleicht lag darin eine Antwort auf die außerordentlich positive Lebensstatistik. Aber fand das menschliche Gehirn nicht sowieso eine Antwort auf alles?
Katherine lenkte ihre Gedanken schnell wieder auf ihren augenblicklichen Zustand. Warum hatte sie die Drogen überhaupt bestellt? Eigentlich hatte sie daran nichts Besonderes gefunden, außer an den Sorten, die Joyce aufgebraucht hatte.
Wahrscheinlich würde ein weiterer Monat vergehen, bevor sie eine neue Sendung Dubarrys bekommen konnte. Ein Monat! Ein ganzer, langer Monat. Katherine seufzte.
Nicht daß sie an diesem Nachmittag mit dem französischen König zusammen sein wollte. Sie hatte als Madame Dubarry vorgehabt, ihre Dienerschaft fortzuschicken und allein, von niemandem gestört, in ihrem Boudoir zu sitzen, in das das Licht nur dämmrig durch die Seidenvorhänge hereinfiel. Und jetzt –
Sie mußte irgend etwas nehmen, um einen Tag wie diesen überstehen zu können. Wenn es nicht anders ginge, würde sie sogar Teddys Tops-Tabletten nehmen. Sie drehte sich um und wandte sich dem niederen Regal zu, auf dem die Tabletten sich befinden mußten.
Sie waren verschwunden. Hatte sie Teddy nicht oft genug verboten, davon zu nehmen, ohne sie zu fragen?
Katherine warf einen Blick auf die Pionierpillen. Sie streckte die Hand aus und berührte die Flasche, dann zog sie sie zögernd zurück. Nein, die Pioniertabletten waren nichts für sie.
Tops-Tabletten für eine Frau ihres Alters! Katherine kam sich albern vor. Aber in der ganzen Sammlung war nichts gewesen, das ihrer Stimmung entsprach.
Als sie sich auf den Weg zum Spielbereich machte, lächelte sie bei dem Gedanken, Teddys weichen, blonden Kopf zu streicheln. Dann plötzlich fiel ihr ein, daß sie Theodore senior schon lange keine Zärtlichkeiten mehr geschenkt hatte. Wie lange war das nun her? Wann hatte es begonnen, daß sie sich von ihm entfernte?
Auch das war etwas, wofür man die Welt des 21. Jahrhunderts verantwortlich machen mußte. Es gab so wenig, worüber ein verantwortungsbewußter Ehemann mit seiner Frau sprechen konnte. Sie blieb plötzlich steif stehen und dachte
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