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Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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kleinen Obstbäume und die bunten Vögel, die überall umherflatterten; aber diese Dinge waren in den Bildern nicht enthalten.
    Eines Tages, als das Tier an dem Lilienteich saß und Lotossamen kaute, traf es eine Entscheidung. Es griff in den Teich und zog einen Goldfisch hervor. Er zappelte und gab ängstliche Laute von sich, als das Tier hineinbiß. Während es noch ruhig dasaß, kam es zu der Überzeugung, daß lebende Dinge nicht gern gegessen werden, solange sie noch am Leben sind. Es erinnerte sich an die durchdringenden Schreie der Vögel, die es gegessen hatte, und wie schwierig es gewesen war, die Federn auszurupfen.
    Es entschloß sich, keine lebenden Dinge mehr zu essen, und nach und nach stellte es fest, was für eine gute Entscheidung dies gewesen war. Die Tiere fürchteten es jetzt nicht mehr, sondern sie spielten mit ihm.
    Aber das Tier brauchte noch immer Protein. Dieses Problem löste es, indem es auf den Tod seiner lebenden Kameraden wartete, und auf diese Weise konnte es seine Bedürfnisse stillen. Alles andere, was es zum Leben brauchte, fand es auf den Bäumen und in den Blüten der Blumen.
    Als es über einen Meter groß war, lernte es, auf den Hinterbeinen zu gehen, und es war auch zu diesem Zeitpunkt, daß es die Tür entdeckte. Diese Entdeckung machte es nicht aus eigenem Antrieb, sondern durch eine Veränderung in seiner Umgebung. Die Tür öffnete sich, und herein kam die Frau.
    Inzwischen hatte das Tier gelernt, die Gemälde an den Mauerwänden zu enträtseln, und es erkannte in ihr sofort eines der darauf dargestellten Dinge wieder. Zuerst schien sie es nicht zu sehen. Das Tier saß in dem kühlen Wasser des Teiches und kaute gerade Lotossamen. Die Frau warf den goldenen Umhang, den sie trug, ab, streckte sich im heißen Sand aus und bedeckte ihre Augen.
    Das Tier erhob sich langsam und trat vorsichtig aus dem Teich mit dem blaugemalten Boden auf den Steinweg. Leise schritt es auf sie zu und betrachtete sie eingehend; es hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen. Und doch stand es regungslos da und starrte auf ihren Körper, in ihm erwachte eine Sehnsucht nach etwas, für das es noch nicht alt genug war, um es verstehen zu können.
    Nach einer Weile fühlte die Frau seine Gegenwart und nahm den Sonnenschutz von den Augen. Als sie das Tier erblickte, setzte sie sich auf und griff nach ihrem Umhang. Sie stieß einen spitzen Schrei aus.
    »Wie bist du hier hereingekommen?« fragte sie. »Was tust du hier?«
    Das Tier blickte sie einen Augenblick ausdruckslos an. Ihre Stimme war nicht so schrill und süß wie die der Vögel und nicht so rein und kehlig wie die der Goldfische. Und sie zirpte auch nicht so wie die Insekten.
    »Warum antwortest du mir nicht?« fragte sie.
    Das Tier stieß einen kehligen Laut aus, es deutete mit der Pfote auf sich. Ihre Stimme hatte diesmal scharf geklungen, sie tat ihm weh. Das Tier drehte ihr den Rücken zu. Es weinte, wie es beim Aufschrei eines sterbenden Vogels weinte, aber wieder wußte es nicht, warum.
    »Was ist los? Kannst du nicht sprechen?« fragte sie.
    Das Tier drehte sich wieder um und blickte in ihre dunkelblauen Augen. Sie waren feucht wie die seinen.
    »Du armes Ding«, sagte die Frau. Sie stand auf, errötete, zog den Umhang um sich und näherte sich ihm. Sie deutete auf die Tür.
    »Du kannst so nicht hinausgehen«, sagte sie. »Wo sind deine Kleider?« Sie bewegte die Arme, versuchte, ihm durch Zeichen anzudeuten, ihr zu sagen, wo seine Kleidung war.
    Das Tier stand ausdruckslos da, es verstand nicht, was sie meinte.
    »Na schön. Ich werde nach ihnen suchen.«
    Während ihrer Suche sprach die Frau ununterbrochen. Nicht, um ihm etwas mitzuteilen, sondern nur um ihre Nervosität wegen seiner Gegenwart zu unterdrücken. Ein Aufblitzen, ein Donnerschlag – durch den Himmel jagte eine Rakete, vom Raum angezogen wie Eisen von einem Magneten. Die Frau lachte.
    »Weißt du, wir sind wirklich wie Pilze«, sagte sie und blickte unter einen Busch. »Wie Raketen, wie Raumschiffe. Ich bin der Überzeugung, daß du, ja, daß die meisten der Arbeiter keine Ahnung haben, was sie eigentlich darstellen. Wir Menschen, wir Sterblichen, leben am unteren Stamm des Baumes und nehmen das Leben, wie es gerade kommt. Dort droben aber in den Zweigen bauen die Raumschiffe ein Imperium, das auf uns keinen Gedanken verschwendet.
    Nur die Gesetzemacher denken an die Menschen. Sie machen die Gesetze, die die Erbauer des Imperiums davon abhalten, das Feuer der Sonne auf uns

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