Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt
fallen zu lassen, uns zu unterjochen oder uns zu töten. Sie machen die Gesetze, die einen Mann darauf beschränken, seine persönlichen Kämpfe auszutragen oder sich Söldner anzuheuern. Sie geben uns eine Gesellschaft, in der die Menschen miteinander auskommen können.«
Sie durchsuchte den ganzen Garten. Sie blickte unter die Büsche und zwischen die Gräser, sogar in den Teich. Als sie fertig war, blickte sie das Tier erstaunt an.
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie du ohne Kleider hier hereingelangt bist. Es ist gut, daß dich niemand gefunden hat, sonst hättest du Unannehmlichkeiten. Warte hier, ich werde hinuntergehen und dir ein paar Kleidungsstücke von meinem jüngeren Bruder bringen. Dann werden wir versuchen, dich aus dem Gebäude zu schmuggeln. Niemand darf dich sehen.«
Wieder blickte sie es an.
»Es könnte sein, daß ich dich heute abend nicht hinausbringen kann, deshalb werde ich dir nach dem Essen etwas Nahrung bringen. Ich habe schon oft hier oben gegessen, deshalb wird es niemandem auffallen.«
Das Tier starrte eine lange Zeit auf die Stelle, an der sie im Sand gelegen hatte. Dann, da es nicht verstanden hatte, was sie über die Nahrung gesagt hatte, ging es durch den Garten und sammelte etwas für sich zum Essen.
*
Das Tier verstand die Nacht nicht. Es war aus den harten Strahlen der Sonne geboren, und wenn die Sonne hinter der Mauerbegrenzung des Gartens verschwand, kauerte es sich unter einer Schierlingstanne nieder und schlief ein. Manchmal hatten es von unten her Stimmen geweckt, und dann hatte es die Sterne und den Mond gesehen. Die Sterne waren kalt, und der Mond verursachte ihm Übelkeit.
Als die Frau wiederkam, schlief es. Sie fuhr mit der Hand über eine schimmernde Metalltafel, und der Garten wurde von strahlendem, künstlichem Licht erfüllt. Dieses Licht war nicht so stark wie das Aufgehen der Sonne, aber es erhellte den Raum bis in den letzten Winkel. Da das Licht keine Hitze von sich gab, fand die Frau das Tier schlafend. Bei ihrer Berührung wachte es auf und blickte zu ihr hoch.
Ihre Haut schimmerte jetzt wie Gold. Der Mond überschüttete sie mit milchigen Strahlen. Ihr Haar glänzte bläulich, nicht schwarz, sie schien mit der Erde, auf der sie stand, zu verschmelzen. Das Tier verehrte sie.
»Komm«, sagte sie. »Zieh dies hier an. Ich glaube, mein Bruder ist größer als du, aber es wird schon passen.«
Das Tier schaute sie verwundert an. Es versuchte, ihren Bewegungen zu folgen, aber es gelang ihm nicht.
»Weißt du denn nicht, wie man sich anzieht?«
Die Frau half ihm, die Kleidung anzulegen, obgleich sie durch die Berührung mit ihm verlegen schien. Seine Augen folgten den ihren, sie strahlte einen süßen Pfefferminzduft aus, einen Duft, den er von den aromatischen Pflanzen nahe der Quelle kannte.
»Du bist ein netter, kleiner Junge«, sagte sie, als sie ihn ankleidete. »Ich fühle mich ganz seltsam in deiner Nähe. Es ist fast so, als wäre ich deine Mutter, aber andererseits fühle ich mich dir gegenüber auch wieder nicht mütterlich.« Sie lachte. »So, wie ich meinen Puppen gegenüber gefühlt habe, als ich so alt war wie du, oder so, wie ich den Vögeln hier im Garten gegenüber fühle. Ich hatte einmal einen kleinen Hund mit schwarzen Flecken. Mein Vater war damals noch kein Baron. Wir lebten in der Stadt eines Barons, aber mein Vater hat damals nur sein Handwerk gelernt. Ich konnte mit den anderen Kindern spielen, und ich kannte auch eine Menge Jungen wie dich. Aber natürlich konnten sie sprechen.«
Wieder blickte sie es mit diesen mitleidigen Augen an.
»Nun ja, jetzt siehst du jedenfalls ganz gut aus, und wenn du nach Hause gehst, wirst du neue Kleidung bekommen. Wahrscheinlich gehörst du zu den Arbeitern. Aber das macht nichts. Heute nacht brauchst du nicht mehr zurückzugehen. Ich könnte dich nicht hinausschmuggeln, auch wenn mein Leben davon abhinge. Deshalb habe ich dir etwas zu essen gebracht.«
Sie führte es durch den Garten und gab ihm einen Korb mit Nahrung. Ausdruckslos blickte es sie an, bis sie eine Bierdose öffnete, ein Tuch auf dem Boden ausbreitete und Stücke gebratenen Geflügels und Brot und Melonen darauflegte. Es aß noch immer nicht, bis sie ihm ein Stück in die Hand legte. Dann wußte es, daß es Nahrung war.
Die Frau setzte sich auf die Steine und sah ihm zu, wie es aß. Nach einer Weile schob sie den Arm vor, um ihn zu streicheln, seinen Kopf zu kraulen, denn es erinnerte sie so sehr an ihr verstorbenes
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