Magazine of Fantasy and Science Fiction 10 - Wanderer durch Zeit und Raum
erkundigte ich mich. »Ich möchte Ihnen mit meiner Frage nicht zu nahe treten, aber vielleicht ...«
»Eigentlich schlecht zu sagen.« William zuckte die Schultern. »Wir haben versucht, es herauszufinden, und einmal sogar den Psychiater bemüht. Er scheint von einer fixen Idee besessen zu sein. Seit einem Jahr behauptet er zum Beispiel steif und fest, jemand stehle ihm seine Manuskripte.«
»Es muß etwas mit Telepathie zu tun haben«, sagte Elisabeth. »Natürlich glaubt er nicht im Ernst, daß wir ihm seine Manuskripte wirklich weggenommen haben.«
»Wir haben in der Tat noch nie im Leben ein Manuskript von ihm gesehen«, bestätigte William.
Ich lehnte mich vor.
»Er glaubt also, seine Manuskripte würden gestohlen? Von Ihnen?«
»Ja, das glaubt er, aber es kann nur eine Folge seines unmäßigen Trinkens sein. Unangenehm ist die Sache aber doch. Niemand wird gern für einen Dieb gehalten. Wir haben Oreste immer geholfen; das ist undankbar von ihm.«
Nach und nach erfuhr ich dann, daß sie Oreste in Natchez eine Wohnung besorgt und eingerichtet hatten. Auch eine Dienerschaft war vorhanden, die sich um ihn kümmern sollte. Sie waren sogar soweit gegangen, eine jüngere Negerin als Pflegerin für Oreste einzustellen. Dort also lebte er, und ich, der ich jahrelang in Natchez wohnte, hatte nichts davon geahnt. Ich war ihm niemals begegnet.
Nun kannte ich Orestes Geheimnis, und ich fühlte mich verpflichtet, meinen beiden Freunden zu helfen, so gut ich es vermochte. Noch ahnte ich nicht, worauf ich mich eingelassen hatte.
Von diesem Tag an wartete ich auf die Ankunft Orestes. Stundenlang saß ich auf der Dachterrasse meines Hauses und richtete das Teleskop, mit dem ich nachts Sternbeobachtungen anstellte auf die Landstraße unten beim Dorf. Alle meine Arbeit blieb liegen, aber ebenso blieben vorerst meine Bemühungen, Oreste zu entdecken, ohne Erfolg.
Als er schließlich eintraf, geschah es völlig überraschend.
Ich hatte einen Spaziergang unternommen und näherte mich wieder der Straße, als ich einen riesigen, kanariengelben Wagen langsam die Serpentinen heraufkriechen sah. Ich stand mit einer Frau aus dem Dorf und ihrem Jungen zusammen, nicht weit von der Schlucht entfernt. Ein Gefühl sagte mir gleich, daß der gelbe Wagen Oreste gehörte. Ich wartete, bis er die letzte Kurve genommen hatte und sich uns näherte. Während der heißen Tageszeit trug ich meist ein Tuch um den Kopf gebunden, ähnlich einem Turban; ich nahm es ab und winkte damit den Leuten im Wagen zu.
Der Junge neben mir sah es und riß mir plötzlich das Tuch aus der Hand, warf es auf den Boden und trampelte darauf herum. Hier in den Bergen wohnen wirklich merkwürdige Menschen, und so ganz habe ich sie nie verstanden. Ich weiß auch heute noch nicht, warum er das tat, aber besonders höflich ist man mir ja hier eigentlich nie entgegengekommen.
Der gelbe Wagen war jetzt auf gleicher Höhe mit uns, und ich konnte die Insassen besser sehen. Oreste erkannte ich sofort. Ich wußte, daß er vierzig Jahre alt war, aber er sah aus wie zwanzig. Allerdings blickten seine Augen sehr zynisch in die Welt, und das wiederum machte ihn älter. Seine Hautfarbe war blaß, fast weiß, wie bei einem neugeborenen Kind. Die vorgewölbte Stirn erinnerte mich ebenfalls an ein Kind. Er hatte volles, seidiges Haar, das er nie zu kämmen schien. Seine Kleidung war schlecht zu beschreiben, denn er trug von allem etwas.
Im Fond saßen eine ältere Negerin und ein englischer Butler, auf dessen Kopf ein steifer Filzhut thronte. Sie hatten kaum Platz zwischen den Koffern und Paketen, außerdem hielt der Butler auf seinen Knien einen riesigen Vogelkäfig, in dem zwei farbenprächtige Wellensittiche unaufhörlich von Stange zu Stange hüpften und sich mit schrillem Gekreische unterhielten. Ein kleiner Junge hockte schwankend auf dem hinteren Stoßdämpfer; Oreste mußte ihn unten im Dorf aus Gutmütigkeit aufgelesen und ihm die gefährliche Mitfahrt erlaubt haben.
Er hielt an, als er mich sah. Zum erstenmal blickte ich ihm in die etwas vorstehenden, blauen Augen und hörte seine wohlklingende Stimme. Seine ersten Worte waren mehr als nur verwirrend:
»Ich bin gekommen, um mir alles zurückzuholen.«
Es hörte sich an wie der Abschluß einer seitenlangen Einleitung.
»Sie müssen Ihren Wagen hier stehenlassen«, entgegnete ich, »denn ich fürchte, die Straße wird zu schmal und zu schlecht. Einige Lawinen sind im Winter auch darüber hinweggegangen.«
Er gab
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