Magazine of Fantasy and Science Fiction 10 - Wanderer durch Zeit und Raum
seinen Dienern einige geflüsterte Anweisungen, und sofort räumten sie das Gepäck aus dem Wagen und stapelten es säuberlich am Straßenrand auf, als befänden sie sich auf einem Bahnhof und erwarteten den Orient-Expreß.
»Wo wohnen sie?« fragte mich Oreste. »Sie werden es aufgeben müssen. Länger sehe ich mir das nun nicht mehr an.«
»Ganz bestimmt sind sie zu Hause. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen den Weg zeige.«
»Ich glaube übrigens, es ist der Junge. Wie heißt er doch nur ...?« Dazwischen nickte er und nahm mein Angebot an. »Einen ganzen Roman diesmal.« Allmählich begann ich zu begreifen, aber er war mir immer noch voraus. Tief in meinem Innern begann sich so etwas wie eine schreckliche Vorahnung breitzumachen, aber ich wehrte mich dagegen. Inzwischen hatte Oreste den Vogelkäfig genommen, und wir bewegten uns wie in einer Prozession der Wohnung meiner Freunde zu. Die Diener folgten mit dem Gepäck. Oreste sprach weiter, ohne eine Antwort von mir abzuwarten: »Zu Beginn waren es ja nur kleinere Arbeiten, und ich hielt es für einen Irrtum.« Er hielt an und setzte den Käfig auf die Erde. »Irrtümer, verstehen Sie?«
Sein Atem roch nach Whisky. Ich nickte.
»Ja, ich verstehe.«
»Eigentlich keine Irrtümer, sondern mehr – nun, Vergessen. Man denkt, man hat es, und dann ist es plötzlich fort, wie ausgelöscht. Aber das war ja zu erwarten.«
»Unter den Umständen«, sagte ich mit Betonung. Er reagierte nicht.
»Doch dann, nach einer Weile, begann ich zu begreifen, daß nichts ausgelöscht wurde, daß keine Irrtümer vorlagen. Ich begann Verdacht zu schöpfen.«
Er nahm den Vogelkäfig wieder auf. Ich bot mich an, ihn zu tragen, und ohne Widerspruch willigte er ein. Langsam schritten wir weiter.
»Sie schöpften also Verdacht«, ermunterte ich ihn.
»Ganz richtig.« Wir waren nun bald auf dem Gipfel des Berges. »Es war ein Artikel für den YALE REVIEW. Um vier Uhr morgens hatte ich ihn fertig – ich schreibe immer nachts, müssen Sie wissen – und legte mich auf die Couch, um einige Stunden zu schlafen. Ich wurde erst gegen Mittag wach. Als ich zum Schreibtisch ging, lag das Manuskript noch an der alten Stelle. Ich war sicher, daß niemand es angerührt haben konnte.«
Er pausierte und wischte sich mit der Hand über die Stirn.
»Und?«
Er sah mich forschend an, als wolle er herausfinden, ob ich ihm seine Geschichte überhaupt glaube.
»Ja, das Manuskript lag dort, aber ich konnte kein einziges Wort mehr davon lesen.«
»Wieso?«
»Ich weiß nicht recht, wie ich es Ihnen erklären soll. Es sah so aus, als sei während der Nacht alles durcheinandergeworfen worden. Einige Teile erkannte ich wieder, sie waren unverändert. Andere wiederum sahen so aus, als hätte ich nur vor der Maschine gesessen und wahllos die Tasten betätigt. Können Sie sich vorstellen, was ich empfand? Zuerst glaubte ich, den Verstand verloren zu haben. Vielleicht der Alkohol, oder was weiß ich. Jedenfalls war ich in der Nacht, in der ich geschrieben habe, stocknüchtern.« Er nickte, als wolle er seine Worte bestätigen. »Ich sah mir das Manuskript näher an, besonders den veränderten Teil. Nach kurzer Zeit kam ich darauf, daß die Buchstaben stimmten, aber sie waren willkürlich durcheinandergebracht worden. Sie ergaben keinen Sinn mehr. Ich wußte nicht, was ich tun sollte, glauben Sie mir. Mit erstaunlicher Klarheit entsann ich mich des vorherigen Abends. Ich hatte genau gewußt, was ich schreiben wollte, es war mir sogar leichtgefallen. Es gab nur eine vernünftige Erklärung: während ich meinen Artikel niedergeschrieben hatte, war ich verrückt geworden.«
»Lieber Gott, das ist ja schrecklich!«
»Und ob das schrecklich ist!« bestätigte er.
»Und was geschah als nächstes?«
»Ein paar Gedichte«, sagte er langsam. »Sie müssen wissen, daß ich auch Gedichte verfasse. Es war eine Woche später. Die Verse gefielen mir recht gut, obwohl ich sonst mehr Prosa schreibe. Ich überarbeitete sie immer wieder, bis ich restlos zufrieden war. Dann, eines Nachts, stellte ich sie zusammen und schrieb sie nieder. Die Arbeitskopien warf ich in den Kamin. Sie brannten wunderbar, glauben Sie mir. Doch dann entsann ich mich der Vorkommnisse der vergangenen Woche, rief Harms, meinen Butler, und befahl ihm, sich an den Schreibtisch zu setzen und mein Manuskript zu bewachen, während ich mich auf die Couch legte, um einige Stunden zu schlafen.«
Als er nicht weitersprach, fragte ich:
»Und am nächsten
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