Magazine of Fantasy and Science Fiction 10 - Wanderer durch Zeit und Raum
senden? Er hatte ja niemanden. Er war allein auf der Welt. ›Komm heim, alles ist vergeben!‹ Ja, früher einmal hatte es vielleicht Menschen gegeben, die ihm etwas bedeuteten. Aber mit seinen Nieren, seinem kranken Herz ... nein, besser nicht.
Leise sagte Herb:
»Sind Sie noch wach, Mr. DeWitt?«
Phillip schlug die Augen auf und lächelte Herb zu.
»Ich habe immer noch nicht begriffen, wer Ihre Botschafter sind, Herb. Welche Art von Menschen eignen sich dafür?«
»Ganz normale Menschen, nette Menschen. Menschen wie Sie, Mr. DeWitt.«
Die aufsteigende Neugier ließ Phillip erneut wach werden.
»Und wie finden Sie solche Menschen? Wo bekommen Sie sie her? Und was tun Sie, um ...?«
»Ich finde sie hier in der Vorhalle des Totenreiches«, sagte Herb so sanft wie möglich.
Mit einem Ruck setzte Phillip sich aufrecht und starrte ihn an.
»Übrigens«, fuhr Herb im gleichen Tonfall fort, »die Botschaft von Myra an Paul Ackerman lautete nicht ›Komm nach Hause, alles ist vergeben‹, sondern nur: ›Alles ist vergeben‹. Mehr nicht.«
Phillip begann plötzlich am ganzen Körper zu zittern.
»Für Sie habe ich auch etwas, Mr. DeWitt. Es sind Grüße an einen gewissen Stanley Papadakis. Ich buchstabiere: P-A-P-A-D-A-K-I-S. Können Sie sich den Namen merken?«
»Raus hier!« Phillips Stimme war heiser und verzweifelt. »Sie sind verrückt!«
»Nein, das bin ich keineswegs.« Herb stand langsam auf. »Tut mir leid, daß Sie es so auffassen. Ich bin nicht für das Leben der Menschen verantwortlich, aber auch nicht für ihren Tod.«
Nach einer Weile nickte Phillip.
»Sie haben recht, Herb. Entschuldigen Sie. Wie lautet die Botschaft an Papadakis?«
Herb atmete auf.
»So ist's schon besser. Ich wußte, daß Sie ein vernünftiger Mann sind, Mr. DeWitt.«
»Die Botschaft!«
»Sie ist einfach: ›Wir alle vermissen dich so!‹ Das werden Sie kaum vergessen. Aber nun muß ich gehen. Und ... Sie brauchen sich nicht zu beeilen, Mr. DeWitt. Es hat Zeit. Sehr viel Zeit. Meine Klienten können warten – bis in alle Ewigkeit.«
Mit schweren Schritten verließ er das Zimmer. Behutsam schloß er die Tür.
Phillip barg das Gesicht in den Kissen. Das Schlafmittel begann zu wirken.
Die Grüße ...!
Nein, er würde sie nicht vergessen, in seinem ganzen Leben nicht. Aber das war nicht so wichtig. Wichtig war, daß er sie nach seinem Tode nicht vergaß.
Dann, bevor er einschlief, begann er zu weinen.
Ihm würde später niemand Grüße übermitteln.
Der telepathische Mord
Henry Shultz
Elisabeth und William Noilly-Pratt gehören zu meinen besten Freunden, obgleich ich zugeben muß, sie nicht immer recht verstanden zu haben. Früher sah ich sie jeden Tag. Es war mir zur lieben Angewohnheit geworden, nachmittags, wenn ich vom Geschäft nach Hause zurückkehrte, bei ihnen haltzumachen und einen Drink bei ihnen zu nehmen. Ohne anzuklopfen betrat ich dann den hohen und kühlen Wohnraum, wohltuend nach meinem Gang durch die glühende Hitze draußen, und fand sie immer dort vor. Sie lasen oder unterhielten sich. William stand immer auf, um mir mit einer leichten Verbeugung die Hand zu reichen; Elisabeth reckte mir die ihre entgegen, damit ich sie mit einem Kuß streifen konnte.
»Möchten Sie etwas zu trinken?« fragte mich dann stets einer der beiden, meist Elisabeth. Sie streckte den rechten Arm senkrecht nach oben und schnippte mit den Fingern. Der Diener, ein alter Chinese, kam und nahm die Bestellung entgegen. Durch die Bambusvorhänge fiel nur spärliches Sonnenlicht in den großen Raum, dessen wunderbare Kühle ich niemals vergessen werde.
Ihre zwei Kinder hießen Valerian und Titus, ersterer zwei Jahre alt, Titus noch in der Wiege. Ich sah sie selten, und es wurde auch kaum von ihnen gesprochen. Elisabeth und William gehörten nicht zu den Leuten, die ihre Besucher mit Schilderungen aus der Kinderstube langweilen, und so war es kein Wunder, daß ich nichts von den beiden Knaben wußte, bis sie erheblich älter geworden waren. William und ich sprachen oft über unsere eigene Kindheit, und natürlich über die seines Bruders, mit dem ich zusammen auf der Universität gewesen war.
Elisabeth hatte noch zwei Brüder, die ich ebenfalls von der Schule her kannte. Den Rest ihrer Familie kannte ich nicht, denn sie stammte aus Virginia, glaube ich. Aber sie hatte noch einen dritten Bruder, von dem ich nur nach und nach einiges erfuhr. Sie sprach nicht gern über ihn. Er hieß Oreste und war in Frankreich
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