Magazine of Fantasy and Science Fiction 10 - Wanderer durch Zeit und Raum
nicht abstreiten.«
»Es waren Gedichte meines Sohnes.«
»Es waren meine Gedichte!«
»Oreste«, sagte Elisabeth und mischte sich ein, »wäre es vielleicht nicht besser, du wurdest dich erst ein wenig hinlegen und dich ausruhen?«
»Ich bin völlig ausgeruht und bei Kräften«, versicherte ihr Bruder.
In diesem Augenblick kam Valerian ins Zimmer. Er sah Oreste, rannte zu ihm und schlang seine Arme um ihn.
»Onkel Oreste!« Er deutete zur Tür. »Sind das deine Vögel da draußen in dem Käfig?«
»Vögel?« fragte William. »Du hast Vögel mitgebracht?«
»Valerian«, sagte Elisabeth, »du hast Onkel Oreste begrüßt, nun gehe noch ein wenig nach draußen und spiele mit Titus.«
»Ich möchte Titus sehen«, knurrte Oreste.
»Nicht jetzt, Oreste.« Elisabeth schüttelte energisch den Kopf. »Es ist jetzt seine Spielzeit. Beim Abendessen hast du genug Gelegenheit, dich mit ihm zu unterhalten.«
Als Valerian gegangen war, nahmen wir die Unterhaltung wieder auf, aber ich muß gestehen, daß wir zu keinem Ergebnis gelangten. Kaum zehn Minuten waren vergangen, da tauchte Valerian wieder auf. Er berichtete, daß er Titus nirgends gefunden habe.
»Hast du auch überall nachgesehen?« fragte William.
»Überall.«
»Auch bei mir im Gartenhaus? Da ist er oft und schr ... spielt.«
»Nein, da habe ich nicht nachgesehen. Soll ich?«
Sein Vater schüttelte den Kopf und befahl ihm, Titus in Ruhe zu lassen, wenn er wirklich im Sommerhaus sei. Zum Abendessen würde man sich schon treffen. Bis dahin sei noch viel Zeit.
»Wann wird überhaupt gegessen?« erkundigte sich Oreste. »Ich habe einen Hunger, als hätte ich seit Tagen nichts mehr zu mir genommen.«
»Das macht die Bergluft«, erklärte ihm Elisabeth. »Wir essen um sieben Uhr. Um Viertel nach sechs wird der Gong geschlagen, damit jeder Zeit hat, sich umzuziehen. Bis dahin ist noch eine Stunde Zeit, Oreste. Du solltest dich wirklich noch ein wenig hinlegen.«
»Vielleicht hast du recht. Entschuldigt mich, bitte.«
Elisabeth rief Ah-So und gab ihm die Anweisung, ihrem Bruder das Fremdenzimmer zu zeigen. In der Tür drehte Oreste sich noch einmal um und sagte:
»Ich danke dir, Elisabeth, aber ihr braucht euch keine Umstände zu machen. Meine Köchin Vilma wird für mein leibliches Wohl sorgen, deshalb habe ich sie mitgebracht. Ich esse mit euch am Tisch, aber meine eigene Diät. Der Arzt hat es so angeordnet.«
»Wie du willst, Oreste.«
Ich blieb trotz ihrer Bitten nicht bis zum Abendessen, sondern machte mich auf den Heimweg. Vorsichtshalber ging ich am Sommerhaus vorbei. Titus war nicht da, aber verschiedene Dinge verrieten, daß er noch vor kurzem hiergewesen war. Das Tintenfaß war geöffnet, Löschpapier und anderes Papier lagen umher. Noch vor zwei Tagen hätte ich das alles mit ganz anderen Gefühlen betrachtet, aber heute war mir unheimlich. Konnte es tatsächlich möglich sein, daß Titus über Gaben verfügte, von denen niemand etwas ahnte?
Nachdenklich setzte ich mich in den Stuhl vor dem Schreibtisch – und erhob mich gleich wieder. Ich hob das Kissen an und nahm den Kasten auf, der darunterlag. Er enthielt das Manuskript, an dem Titus arbeitete. Neugierig begann ich darin zu blättern, als von der Tür her ein Schrei ertönte. Titus stürmte ins Zimmer.
»Nicht! Sie dürfen jetzt noch nicht lesen. Nicht eher, als bis es ganz fertig ist.«
»Schon gut«, beruhigte ich ihn. »Wenn ich nicht darf, dann lese ich auch nicht. Ich war nur neugierig, was unter dem Kissen lag.«
»Ich habe es dort versteckt, damit es niemand findet. Niemand soll mich bei der Arbeit stören, bis ich fertig bin.«
»Stören?«
»Ja, man will mich stören«, sagte er und sah mich ernst an. »Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, es ist Onkel Oreste, der mich von der Arbeit abhalten will. Ich fühle es.«
»Hast du deinen Onkel schon begrüßt?«
»Er ist also schon hier?« Furcht zeigte sich auf seinem Gesicht. »Ich habe es doch gewußt!«
»Er traf vor einer Stunde ein. Er schläft jetzt bei euch im Haus, um sich ein wenig vor dem Essen auszuruhen.«
Titus mußte wirklich Angst haben, man sah es seinem Gesicht an. Er tat mir leid. Ich mußte ihm helfen.
»Willst du heute mit mir zu Abend essen?« fragte ich ihn. »So um acht Uhr?«
»Gern.« Er schien erleichtert. »Wir sollten meinen Eltern Bescheid sagen, damit sie sich nicht beunruhigen.«
»Ich werde ihnen einen kurzen Brief schreiben. Sie werden schon nichts dagegen haben, wenn du bei mir
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