Magazine of Fantasy and Science Fiction 10 - Wanderer durch Zeit und Raum
bleibst.«
»Wunderbar! Dann kann ich bis zum Essen an meinem Roman schreiben. Es ist nicht mehr viel. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich heute nicht umziehe, sondern in diesem Anzug mit Ihnen esse?«
»Wenn du dir vorher die Hände wäschst, ist das in Ordnung«, versicherte ich ihm und lächelte. Dann ging ich in meine Bibliothek, schrieb einige Briefe und spazierte dann zum Haus meiner Freunde, wo ich meine Botschaft heimlich an die Tür heftete. Ich kam mir dabei vor, als täte ich etwas Verbotenes.
Ich war etwa eine Stunde unterwegs und beschloß, zu meinem Haus zu gehen und mich umzuziehen. Es war noch Zeit genug dazu. Als ich in der Nähe des Sommerhäuschens vorbeikam, blieb ich stehen. Irgend etwas zwang mich dazu, und es war, als flüstere mir eine innere Stimme zu, Titus benötige jetzt meine Hilfe. Ich bin nicht mehr der Jüngste, aber wenn es darauf ankommt, kann ich noch ziemlich schnell laufen. Es dauerte nicht lange, dann hatte ich den Garten durchquert und riß die Tür zum großen Atelierraum auf.
Mitten im Zimmer, nur durch den Schreibtisch getrennt, standen sich Oreste und Titus gegenüber. In den Augen des Mannes las ich Mord, und in seiner Hand hielt er den scharfgeschliffenen Brieföffner, den ich nur selten benutzte.
Titus sah mich und rief:
»Er will mir etwas tun. Helfen Sie mir!«
»Satan!« keuchte Oreste und versuchte den Tisch zu umrunden.
»Oreste! Hören Sie mit dem Unsinn auf!« Meine Stimme klang scharf und drohend. »Damit erreichen Sie auch nichts.«
»So, ich erreiche damit nichts? Was verstehen Sie schon davon? Sehen Sie sich das an!« Er deutete auf das Manuskript, das verstreut auf dem Schreibtisch lag. »Mein Roman! Der Satan schreibt meinen Roman!«
»Ich bin kein Satan! Und das ist mein Roman. Er will mir nur meinen Roman wegnehmen. Du bist betrunken! Ich hasse dich! Geh weg!«
»Wir sollten morgen in aller Ruhe darüber sprechen«, sagte ich zwingend. »Die Nachtruhe wird uns allen nur gut tun, Ihnen auch, Oreste. Sicher verlangt die Angelegenheit eine Klärung, aber ich glaube nicht, daß Sie mit Gewalt eine Lösung finden.«
Oreste zuckte die Schultern.
»Ich habe lange genug zu erklären versucht, aber nichts erreicht. Jetzt muß endlich gehandelt werden, aber wenn Sie meinen ...«
»Gut«, unterbrach ich ihn. »Dann wären wir uns einig. Morgen nach dem Frühstück, gegen halb neun. Einverstanden?«
»Halb neun«, erklärte Oreste mit einer Stimme, als sei ihm das egal.
»Titus wird heute nacht hier schlafen. Würden Sie so freundlich sein, Oreste, das seiner Mutter mitzuteilen?«
»Hier?« vergewisserte sich Oreste erstaunt.
»Ich halte es für das Beste.«
»Meinetwegen, ich werde es also seiner Mutter sagen.«
Oreste ging ohne ein weiteres Wort.
Über mein Abendessen mit Titus gibt es nichts zu berichten. Geschickt verstand er es, meinen Fragen auszuweichen und immer wieder ein neues Thema einzuschlagen, bis mir nichts anderes übrigblieb, als ihm sein Schlafzimmer zu zeigen. Ein Badezimmer verband es mit dem Raum, in dem ich zu schlafen beabsichtigte, und ich machte ihn darauf aufmerksam.
»Machen Sie sich keine Sorgen um mich«, sagte er zum Abschied. »Ich habe nur noch einige Stunden Arbeit, dann bin ich mit meinem Roman fertig. Von mir aus kann Onkel Oreste dann sagen, was er will.«
Ich blieb auf bis Mitternacht, dann ging ich eine Runde durchs Haus und überzeugte mich davon, daß alles abgeschlossen war. Beruhigt legte ich mich ins Bett und schlief durch, bis es hell wurde.
Weder Titus noch Oreste erschienen zu dem vereinbarten Frühstück, was mich recht ärgerlich stimmte, denn ich hatte es extra bei meinen Dienern bestellt. Später spazierte ich dann über den Berg zum Haus von Elisabeth und William. Er arbeitete an seinen Studien, und ich wußte, daß er dann nicht gern gestört wurde, aber Elisabeth hatte Zeit.
»Es war nett von Ihnen, Titus heute nacht bei sich zu behalten. Natürlich wäre es zuviel verlangt, Sie darum zu bitten, ihn so lange zu sich zu nehmen, bis dies hier alles ...« Sie machte eine etwas hilflose Geste, um die Situation anzudeuten.
»Aber, ich bitte Sie, Elisabeth, es macht mir überhaupt nichts aus. Trotzdem bin ich der Meinung, daß man sich um eine Klärung der Angelegenheit bemühen sollte. Ich hatte Oreste heute früh bei mir erwartet.«
»Oreste möchte nicht gestört werden«, erklärte sie mir. »Er hat mit einer neuen Arbeit begonnen und möchte so schnell wie möglich damit zu Ende
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