Magazine of Fantasy and Science Fiction 12 - Die letzte Stadt der Erde
Schlitten wurden beladen. Mit Stuart und Doc waren es zehn bewaffnete Männer. Dazu kamen sechs Mütter, fast noch Mädchen. Vier der Schlitten allein faßten den Proviant und die Vorräte, die sie dringend benötigen würden.
Niemand sprach. Alle waren sie viel zu müde. Die meisten wären lieber in der Stadt geblieben.
Earl kletterte auf den ersten Schlitten. Bei ihm waren noch zwei Männer und zwei Mütter. Der Antrieb begann zu summen, und mit geübten Fingern bediente Earl die Kontrollen. Der Schlitten erhob sich ohne jede Erschütterung in die Luft. In geringer Höhe strich er dicht über die Baumwipfel dahin. Das Summen verstummte, und alles war so ruhig, daß man das Rauschen der vorbeiströmenden Luft hören konnte.
Earl lächelte, als er an das dachte, was vor ihm lag.
Hinter ihm verblaßte der Schein der Stadt.
Vor ihm, im Dunkel der Nacht, lag die andere Welt.
Helen Sanderson konnte nicht schlafen. Sie hatte eine Tablette genommen, aber die Wirkung hielt nur wenige Stunden an. Nun lag sie wach. Sie dachte nach.
Hatte sie schon alles wieder vergessen? Aber sie hatte ja noch Zeit, viel Zeit. Nicht morgen oder übermorgen, das war unmöglich, aber vielleicht später. Oder nie.
»Liebling«, flüsterte sie.
Larry Sanderson schien geschlafen zu haben. Er rollte sich jetzt auf die andere Seite und murmelte:
»Was ist los?«
»Nichts«, sagte Helen.
»Dann ist's ja gut.« Larry verschwand wieder unter den Kissen.
»Liebling, ich kann nicht schlafen.«
»Nimm doch eine Pille.«
»Habe ich schon getan. Ich muß immerzu an Bobby denken.«
Larry Sanderson schien nun endgültig wach geworden zu sein. Er setzte sich im Bett aufrecht hin.
»Du quälst dich ja selbst. Es ist nun fünf Jahre her, Helen. Einmal mußt du damit aufhören.«
»Ich will aber nicht! Ich will immer an ihn denken.«
Larry nahm sie in seine Arme. Ihr Körper fühlte sich steif und kalt an. Er schauderte zusammen. So hatte sich Bobby auch damals angefühlt, kalt und steif.
»Ich verstehe, wenn du dich an ihn erinnerst, und wir wollen ihn ja auch nicht vergessen. Aber so wie jetzt kann es auch nicht weitergehen. Du solltest den Arzt aufsuchen ...«
Helen begann zu weinen.
»Ich will keinen Arzt, ich will ein Baby!«
»Wir tun alles, was menschenmöglich ist, Helen. Du mußt Geduld haben.«
»Geduld!« Schluchzen erschütterte ihren Körper. »Ich bin vierzig Jahre alt, Larry. Ich kann nicht länger geduldig sein. Ich will ein Kind!«
Er küßte ihren Nacken. Sie wich zurück.
»Hör auf! Du weißt, wie wenig Sinn es hat. Ich will ein Kind, das ist alles.«
»Wenn man den Berichten glauben will ...«
Sie sprang aus dem Bett. Ihr Haar war zerwühlt und die Fäuste geballt.
»Du weißt, daß ich nicht mehr schwanger werden kann. Es sind alles nur Lügen, und du glaubst ihnen noch.«
»Komm zurück ins Bett, Helen.«
»Nein.«
»Soll ich auch aufstehen?«
»Das ist mir egal. Bleib im Bett.«
Larry stopfte sich ein Kissen unter den Kopf.
»Danke für den schönen Abend«, sagte er grimmig.
»Tut mir leid, Liebling«, sagte Helen, ging zu ihm und küßte ihn.
»Mir auch. Aber du wirst sehen, dein Wunsch wird sich erfüllen. Du hast noch immer Glück gehabt.«
»Ja, das habe ich.«
»Nimm noch eine Tablette.«
»Später. Und nun schlaf weiter. Entschuldige, daß ich dich weckte.«
»Schon gut. Gute Nacht, Liebling.«
»Gute Nacht.«
Sie ging aus dem Schlafzimmer. Ihr einziges Bekleidungsstück war ein durchsichtiges Nachthemd, mehr war nicht notwendig. In der Wohnung herrschte stets die gleiche Temperatur, und der Fußboden reinigte sich selbständig. Langsam wanderte Helen von Raum zu Raum. In der Wohnung war Platz genug.
Es gab natürlich keine Fenster. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie die Wandbildschirme einschalten sollte. Sie hatte sich damals soviel Mühe mit dem Aussuchen der Motive gegeben. Da war die blaue Lagune, in einigen Metern Tiefe aufgenommen. Bunte Fischschwärme zogen zwischen Korallenfelsen dahin. Oder das Gebirge mit seinen schneebedeckten Gipfeln und vom Wind zerzausten Bäumen. Vielleicht auch die rotgelben Sanddünen in den Wüsten des Mars.
Wie mochte das Meer wohl wirklich aussehen? Ein merkwürdiger Gedanke, so etwas wissen zu wollen. Auf den Fernsehschirmen hatte sie es oft genug gesehen. Die blaue Unendlichkeit hatte sie im Kuppelraum auf Wandschirmen umgeben, und sie hatte das Tosen der Brandung gehört. Langschnäblige Vögel waren aus dem Himmel ins Wasser
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