Magazine of Fantasy and Science Fiction 15 - Die Mauzlwürfe von Manhattan
aus Wagen und Pferden, das in der engen Straße immer vor Beginn der Vorstellung herrschte.
Als er durch die schlecht beleuchtete Gasse hinter dem Theater ging, ertönte ein leiser Pfiff. Walter drehte den Kopf, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. Der Negerjunge Charlie, der sein Pferd halten sollte, tauchte kurz aus der Dunkelheit auf und warf dem großen Mann einen bewundernden Blick zu. Der Junge war als Ersatz gekommen, erinnerte sich Walter; Beams hatte heute keine Zeit Charlie verzog das schwarze Gesicht zu einem Verschwörerlächeln, salutierte melodramatisch und verschwand wieder.
John Wilkes Booths Körper zögerte vor dem Theatereingang, wurde in dem Gedränge umhergestoßen, hatte die Karte schon fast in der Hand und entfernte sich dann doch rasch in Richtung Bahnhof. Das Ford's Theatre blieb hinter ihm zurück, der Derringer war noch immer geladen. Er kaufte sich eine Fahrkarte nach Philadelphia und ließ sich bis zur Abfahrt des Zuges im Wartesaal nieder. Dort lehnte er den Kopf gegen die verschlissenen Plüschpolster und schloß erschöpft die Augen.
»Na, alter Knabe, jetzt geht es uns doch bestimmt wieder besser?«
Walter spürte die in seiner Umgebung vorgegangenen Veränderungen sofort, obwohl er erst jetzt langsam die Augen öffnete. Die Couch war gleich geblieben, aber sie war nicht mehr mit Leder überzogen Walter legte die Hand darauf; der Bezug fühlte sich wie grobe Wolle an. Die braunen Tapeten waren dunkler geworden. In der Mitte des Raumes stand ein massiver Schreibtisch aus Eichenholz, der mit geschnitzten Ornamenten verziert war. Ein Leuchter mit drei Kerzen ersetzte die indirekte Beleuchtung, und Walter nahm erstaunt wahr, daß in einer Ecke ein unförmiger Kohlenofen stand.
»Ich stelle mit Vergnügen fest«, sagte der Arzt, »daß die Mesmerisierung keine nachteiligen Auswirkungen gehabt hat, obwohl ich mir noch immer nicht erklären kann, weshalb Sie unter der Illusion gelitten haben, jede Nacht ein obskurer Schauspieler im neunzehnten Jahrhundert zu sein. Bevor Sie gehen, können Sie gleich bei meiner Sekretärin bezahlen.« Der Psychoanalytiker sah auf die Standuhr in der Ecke; die Behandlung war vorüber, aber er hatte noch viel zu tun.
»Lassen Sie doch den Unsinn, Doc ... he, Sie sind ja gar nicht Altstetter! Sie haben das gleiche Gesicht, sprechen aber völlig anders. Außerdem sind Sie viel dünner.« Walter sah jetzt deutlich, daß der Arzt doch Altstetter war; ein veränderter Altstetter, aber trotzdem der gleiche Mann.
»Ich darf Sie daran erinnern, daß ein Kolonist der Klasse V keineswegs das Recht hat, Leute zu kritisieren, die weit über ihm stehen. Ich bin Psychoanalytiker der Klasse III«, verkündete Altstetter stolz und rümpfte dabei die Nase. »Obwohl ich in Österreich-Ungarn geboren wurde, habe ich in Montreal studiert und darf innerhalb des Empires überall praktizieren.«
»Der Teufel soll mich holen«, meinte Walter verblüfft. »Hören Sie, Doc, was soll eigentlich der Unsinn?«
»Zweifeln Sie etwa an meinen Qualifikationen?« Dieser komische Kerl konnte zwar ein Ritterspion sein, aber Altstetter glaubte nicht recht daran. »Hier! Mein Diplom!« Der Psychoanalytiker riß das eingerahmte Dokument von der Wand und hielt es Walter dicht unter die Nase. Es bewies, daß Edward George Altstetter die Königliche Psychoanalytische Akademie in Montreal während der Regierungszeit des Regenten Edward mit Erfolg absolviert hatte. Bevor der wütende Arzt das Diplom wieder an die Wand hängte, bemerkte Walter noch, daß es durch einen Faksimilestempel der Unterschrift der Königin-Kaiserin erneut bestätigt worden war.
Er brauchte nicht allzu lange, um Altstetter wieder zu beruhigen, der trotz des plötzlichen Wutausbruchs im Grunde genommen gutmütig und harmlos war. Als Altstetter erschöpft auf die Couch sank, blätterte Walter in der Encyclopedia Britannica herum, die er in dem Bücherregal gesehen hatte.
Dort fand er einen kurzen Absatz, in dem stand, daß Edwin Booth einen Bruder namens John Wilkes gehabt hatte, der an einem mißglückten Attentat auf Lincoln beteiligt gewesen, aber deshalb nicht vor Gericht gekommen war.
Unter der Überschrift Lincoln, Abraham stand etwas mehr und der Hinweis für den Leser, daß der Artikel Mißwirtschaft, Das Zeitalter der ausführlichere Angaben enthielt. Walter Bird überflog beide Artikel und las dann eine Zusammenfassung der Geschichte der beiden letzten Jahrhunderte.
Abraham Lincoln war der erste Präsident
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