Magazine of Fantasy and Science Fiction 15 - Die Mauzlwürfe von Manhattan
Zehenspitzen zur Tür wo er durch das Schlüsselloch sah.
Ein kleiner Mann mit einer Melone auf dem Kopf und einem Notizbuch unter dem Arm sprach leise auf die erschrockene Sekretärin ein, die schließlich nickte und auf die Praxistür wies. Als das Mädchen eine Frage stellte, schüttelte der Mann den Kopf und zuckte ausdruckslos mit den Schultern.
»Wegen illoyaler Äußerungen, nehme ich an.«
»Aber ... aber er ist doch der loyalste Mann, den ich kenne!« Walter ahnte, daß die Sekretärin diese tapfere Verteidigung Altstetters unter Umständen noch bereuen würde.
»Meine liebe junge Dame, das Gericht hat sein Urteil bereits gesprochen. Ich versichere Ihnen, daß Sie von dem Verdacht der Mittäterschaft freigesprochen worden sind; Ihre Stellung ist nicht gefährdet, falls Ihr neuer Arbeitgeber mit Ihnen – äh – zufrieden ist.« Der kleine Mann benahm sich wie ein Buchprüfer, der eben in den Büchern seines schlimmsten Feindes eine Unterschlagung aufgedeckt hat. Wenn das ein Ritterspion war, wollte Walter nie wieder seinen geliebten Prinz Eisenherz lesen.
Walter wußte nicht, ob er salutieren oder sich verbeugen sollte, als der Ritterspion den Raum betrat. Der kleine Mann löste dieses Dilemma für ihn, indem er Walter völlig ignorierte, der von einem Fuß auf den anderen trat und eifrig in der Encyclopedia Britannica zu lesen vorgab.
Der Ritterspion holte einen winzigen Zerstäuber aus der Brusttasche, hielt die Düse an die Nase des schlafenden Arztes und drückte zweimal auf den Knopf.
Der Psychoanalytiker setzte sich ruckartig auf.
»Was haben Sie mit ihm angestellt, Sir?« erkundigte sich die Sekretärin. Seit sie erfahren hatte, daß sie ihre Stellung behalten durfte, schien sie eher Neugier als Mitleid zu empfinden.
»Der Zerstäuber ist mit Reserpin gefüllt«, erklärte der kleine Mann, wobei er die Düse sorgfältig mit einem blütenweißen Leinentaschentuch säuberte. »Während der nächsten Stunden empfindet er keine Schmerzen und befolgt jeden Befehl. Das ist natürlich viel zweckmäßiger, als ihn in Handschellen abzuführen.«
»Verzeihung, Sir«, warf Walter ein, obwohl er nicht genau wußte, wie Ritterspione angesprochen wurden, »aber heißt das, daß Doktor Altstetter jeden Befehl ausführt, den ihm irgend jemand gibt?«
Der Ritterspion verstaute den Zerstäuber wieder in der Jackentasche und antwortete, wie es einem Gentleman zukommt – höflich, prägnant und ohne allzu große Vertraulichkeit mit dem gemeinen Volk.
»Selbstverständlich, guter Freund. Die Wirkung hält mindestens zwei, aber höchstens sechs Stunden an.«
»Vielen Dank für die Auskunft, Sir«, sagte Walter und schlug ihn mit dem Nachschlagewerk nieder. »Sic semper was-weiß-der-Teufel«, murmelte er dabei. Die Sekretärin floh kreischend. Walter schloß die Tür hinter ihr ab.
»He«, sagte Altstetter.
»Maul halten«, sagte Walter.
Altstetter sank wieder auf die Couch zurück und blieb mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck schweigend liegen.
Zu seiner eigenen Überraschung stellte Walter fest, daß er Spaß daran hatte, anderen Leuten Befehle zu erteilen. »Doc, wenn das Ekel dort drüben aufwacht und auch nur eine Miene verzieht, werfen Sie ihn sofort zum Fenster hinaus.« Er dachte an eine ähnliche Anweisung, die in einem Roman über Raubritter erwähnt wurde, und stellte sich vor, daß die Kerle an seiner Stelle ähnlich gehandelt hätten.
Altstetter nickte und lächelte dabei freudestrahlend.
»Ich befehle Ihnen, mich wie zuvor zu hypnotisieren, damit ich wieder träume daß ich John Wilkes Booth bin. Lassen Sie sich dabei durch nichts ablenken oder stören.« Walter erwähnte absichtlich nicht, daß die Ablenkung daraus bestehen konnte, daß jemand die Tür aufbrach. »Los, Doc, hypnotisieren Sie mich!« befahl er mit barscher Stimme.
Altstetter gehorchte.
Der Zug setzte sich eben in Bewegung, als Walter sich durch den Gang drängte, den Schaffner ignorierte, der ihn eben nach seiner Fahrkarte gefragt hatte, die nächste Tür aufriß und hinaussprang.
Nachdem er sich den Sand und die Asche von der Hose geklopft hatte, kletterte er auf den Bahnsteig hinauf und eilte durch das Bahnhofsgebäude. Auf der Straße warteten einige Droschken auf späte Fahrgäste, und John Wilkes Booth rannte auf die nächste zu.
»Taxi!« rief er; dann erinnerte er sich wieder und rief: »Kutsche!« Die Uhr auf dem hohen Sockel vor dem Bahnhof zeigte neun Uhr zwanzig; Cissie hatte erwähnt, daß Our
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