Magazine of Fantasy and Science Fiction 16 - Die Menschenfarm
endlich nicht mehr damenhaft zu benehmen brauchte. »Rutschen Sie mir den Buckel herunter«, fügte sie noch hinzu.
»Miß Cartwright!« sagte Miß Bertha Tilton. Sie war eine der jetzt siebzigjährigen Zwillingsschwestern, die schon seit undenklichen Zeiten in der Bibliothek tätig waren, so daß sie für die meisten Bürger der kleinen Stadt fast zur Einrichtung gehörten. Miß Martha Tilton, die neben Bertha stand, zog ebenfalls schockiert die Augenbrauen in die Höhe.
»Schön, wie steht es also mit Ihnen, Bertha ... und Martha?« erkundigte Mr. McIlwhinney sich mit einem leichten Lächeln. »In der Kinderbuchabteilung gibt es wahrscheinlich nichts, gegen das unsere Freunde dort draußen Einwände erheben würden. Selbstverständlich eine hübsche Sammlung von Bilderbüchern, aber bestimmt nichts, weswegen ...«
»Wahrscheinlich nichts ...«, wiederholte Martha Tilton aufgebracht. »Sie sprechen wirklich wie ein dreiundachtzig Jahre alter Mann, Mister McIlwhinney. Aber kaum wie der Vorsitzende des Verwaltungsrates einer Bibliothek. Soll ich etwa Wilhelm Tell und den Freiheitskampf der Schweizer ohne den geringsten Widerstand preisgeben? Und den Skeptizismus in Des Kaisers neue Kleider? Wie steht es mit Kipling? Und den Gebrüdern Grimm? Und ...«
»Schon gut, schon gut«, wehrte Mr. McIlwhinney ab. »Bitte keine Vorträge. Schließlich müssen Sie selbst wissen, was Sie tun. Ich habe bereits einen bestimmten Plan gefaßt«, fuhr er fort, »aber Sie alle müssen sich darüber im klaren sein, daß wir nicht viel Widerstand leisten können. Die Lage ist ernst und wird vermutlich von Minute zu Minute ernster. Ich bezweifle, daß wir auf die Hilfe der Polizei rechnen können.«
Miß Cartwright schüttelte energisch den Kopf. »Da haben Sie allerdings recht!« sagte sie. »Nachdem der Sohn unseres verehrten Polizeichefs Diverssy Vorsitzender der Gesellschaft für Stabilität ist, macht die Polizei vermutlich sogar die Straßen für die Marschierer frei.«
»Auf den Verwaltungsrat brauchen wir ebenfalls nicht zu hoffen«, stellte Bertha Tilton fest. »Sie sind wirklich eine Ausnahme, Mister McIlwhinney.«
»Ja, leider«, murmelte Mr. McIlwhinney und wurde rot. »Vielleicht habe ich den Ernst der Lage nicht eindringlich genug ...«
»Ach was, die Kerle haben einfach nicht genügend Courage im Leib«, warf Miß Cartwright ein. »Mit dieser Tatsache müssen wir uns eben abfinden.«
»Lassen wir das«, meinte Mr. McIlwhinney. »Meiner Meinung nach müssen wir nur auf die Eingangstür und die Fenster achten. Der rückwärtige Ausgang ist bereits mit Bücherstapeln verbarrikadiert. Die Fenster liegen so hoch, daß wohl niemand hineinklettern kann, so daß wir uns nur vor Steinen in acht nehmen müssen, die bald fliegen werden. Die Eingangstür wird sofort mit Bücherregalen verstellt, nachdem ich mit den Leuten gesprochen habe. Ich bin allerdings fest davon überzeugt, daß mein Versuch erfolglos bleibt.«
»Seht euch die Horden an!« sagte Mrs. Foster erschrocken. »Mein Gott! Dort draußen hat sich die halbe Stadt versammelt, um das Schauspiel zu beobachten.«
»Sehr niedrig geschätzt«, stellte Mr. McIlwhinney gelassen fest. »Sie werden bald merken, Mistreß Foster, daß diese Leute nicht gekommen sind, um ein Schauspiel zu sehen. Sie wollen alle daran teilnehmen. Ich erkenne meinen Enkel Olly und glaube Ihre Schwägerin dort drüben bei dem Briefkasten stehen zu sehen.«
»Abscheulich«, sagte Martha Tilton. »Sie sollten sich wirklich schämen!«
»Ganz richtig«, fuhr Mr. McIlwhinney fort, »aber dem Ernst der Lage nicht ganz angepaßt.« Er öffnete die Tür und trat ins Freie hinaus.
Das plötzlich ausbrechende Geschrei überflutete ihn förmlich, während er auf den Stufen zur Bibliothek stand. Seine gebeugte Gestalt warf in der Nachmittagssonne einen langen Schatten. Er hob die Hand, um sich Gehör zu verschaffen, aber der Lärm verringerte sich nicht, sondern wurde im Gegenteil sogar noch stärker.
»Geht nach Hause!« rief er. »Rottet euch nicht hier zusammen! Verschwindet gefälligst! Schämt euch über euer Benehmen!« Das genügt nicht, überlegte er dabei. Die Mitglieder der Gesellschaft ließen sich nicht durch die Ermahnungen eines alten Mannes von ihrem Vorhaben abbringen.
»Ist er nicht ein wunderbarer alter Knabe?« fragte Mrs. Foster laut.
»Da haben Sie wirklich recht«, antwortete Martha Tilton. »Aber er sollte sich jetzt lieber in Sicherheit bringen. Schließlich ist er der
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