Magazine of Fantasy and Science Fiction 17 - Grenzgänger zwischen den Welten
müde.«
Nachdem der Farmer gegangen war, legte er sich auf das Bett und schloß die Augen. Aber er schlief nicht ein. Das konnte er nicht. Seine Muskeln waren völlig verkrampft, und seine Gedanken beschäftigten sich noch immer mit den Erlebnissen des heutigen Tages. Vielleicht konnte er eher schlafen, wenn er einen Spaziergang unter den Sternen ...
Sterne! Was hatte er eben gedacht? Im Bauch eines Wals konnte es keine Sterne geben. Aber warum sollte er nicht trotzdem einen kleinen Abendspaziergang machen? Und dann würde er schlafen. Im Bauch eines Wals schlafen.
Draußen war es kühler geworden, weil ein frischer Wind aufgekommen war. Jonathan ging um die Scheune herum und sah die Felder vor sich liegen. Eigentlich merkwürdig, daß es nicht völlig dunkel war. Die Sonne mußte doch unterdessen erloschen sein. Er hob den Kopf ...
Und sah die Sterne.
Hunderte. Tausende. Blaue und rote und gelbe und weiße ...
Ja, Sterne, Jonathan – warum auch nicht? An jedem Nachthimmel stehen Sterne.
Diesmal war er nicht mehr überrascht. Aber dein Himmel ist zu klein für Sterne, antwortete er. Im Grunde genommen könnte er nicht einmal einen enthalten.
Du hast recht – jedenfalls keinen, der größer als meine Sonne ist. Mein Universum gleicht einem Sandkorn an einer felsigen Küste vor einem unendlichen Meer. Meine Sterne sind nicht wirklich.
Und trotzdem wirken sie echt.
Sie sind aber nur Sinnestäuschungen wie die Luftspiegelungen, die man an heißen Tagen beobachten kann. Nur meine Sonne existiert wirklich. Sie ist unter anderem auch mein Sinnesorgan. Mein Auge.
Du kannst also diese Welt in deinem Inneren sehen? Aber das All und die Sterne ebenfalls? Mich auch, obwohl ich in der Dunkelheit stehe?
Ja, ich sehe dich – und gleichzeitig sehe ich Parsek weit in das All hinaus. Und ich kann über Millionen Kilometer hinweg telepathisch senden und empfangen.
Es muß wunderbar sein, als Raumwal zu leben.
Es ist ein schreckliches, einsames Leben, Jonathan. Aber ich habe mich nicht deswegen mit dir in Verbindung gesetzt. Ich wollte vor allem wissen, ob du zufrieden bist.
So zufrieden und glücklich wie noch nie zuvor, antwortete Jonathan. Ich weiß, daß du irgendwie von dieser Welt ... von diesem Universum lebst – aber wie?
Eine lange Pause. Das verstehst du vielleicht nicht ohne weiteres, aber ich will versuchen, deine Frage zu beantworten. Du mußt dir vorstellen, daß das Land meine Nahrung ist, während Sonne, Wind, Regen und andere Naturerscheinungen wie Verdauungssäfte wirken. Ich absorbiere den Boden und bereite ihn allmählich auf, wodurch unter anderem auch die Energie frei wird, mit der ich mich durch das All bewege. Wir Raumwale haben von Geburt an Land in uns, Jonathan, Land und Luft und Wasser, aber wenn wir älter werden, müssen wir unsere Vorräte von Zeit zu Zeit ergänzen.
Und das tust du, indem du Asteroiden absorbierst?
Asteroiden und kosmischen Staub – aber auch Eis aus den Ringen der Planeten wie Saturn.
Und Treibgut?
Gelegentlich.
Auch Raumschiffe?
Diesmal war die Pause erheblich länger. Raumschiffe sind eigentlich nicht erlaubt, aber ich habe eines absorbiert, als ich noch zu jung und eigenwillig war, um den Rat der Älteren zu befolgen. Nach deiner Zeitrechnung war das vor fast dreihundert Jahren. Das Schiff hieß ›Prosperity‹ und transportierte eine Gruppe der ersten Auswanderer, die von der Erde zur Venus fliegen wollten – zu dem Planeten, der jetzt ›New Earth‹ heißt. Die Menschen, die du hier getroffen hast, sind die Nachkommen dieser Kolonisten.
Aber selbst vor dreihundert Jahren war doch unsere Technik und Zivilisation wesentlich weiter fortgeschritten, widersprach Jonathan. Warum leben diese Menschen auf dem Stand, der fast vier Jahrhunderte weit zurückliegt? Und weshalb sind sie sich nicht darüber im klaren, daß sie im Bauch eines Raumwals leben?
Du drückst dich ziemlich unbeholfen aus, Jonathan – dabei habe ich mir solche Mühe gegeben, dir alles zu erklären! Beginnen wir mit deiner ersten Frage. Die gegenwärtige Zivilisation ist nicht zufällig entstanden, sondern ist das Ergebnis sorgfältiger Planung durch die ersten Kolonisten – die Gründer. Sie wußten, daß sie ihren Nachkommen nicht die hochentwickelte Technik ihrer Zeit vererben konnten, weil sie selbst nur über beschränkte Kenntnisse und Fertigkeiten verfügten so daß die zukünftige Entwicklung notwendigerweise in der Vergangenheit beginnen mußte, bevor Fortschritte möglich
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